6. Der Classical-Kanal am Hbf Hamburg – Wirkungsweisen
6.1. Vorüberlegungen
6.1.1. Klassik-Begriffe
Im Zusammenhang mit der Musikbeschallung am Hamburger Hauptbahnhof
ist immer wieder von »Klassik« oder »klassischer Musik« die Rede.
Bevor ein Blick geworfen wird auf die Beschaffenheit von Muzaks
Classical-Kanal1
gilt das Interesse hier zunächst den unterschiedlich weit gefassten Klassik-Begriffen. Der
Terminus »Klassik« bzw. das dazugehörige Adjektiv »klassisch« finden sich wieder
sowohl im umgangssprachlichen Gebrauch als auch bei der Beschreibung von Kultur und
Kulturerzeugnissen im weitesten Sinne. Im Duden finden sich vier verschiedene
Bedeutungsangaben zum Adjektiv:
- a) zur Klassik gehörend
- b) dem antiken Schönheitsideal entsprechend
- wegen der (künstlerisch) hervorragenden Qualtität oder mustergültigen Form von
zeitloser Gültigkeit
- von/in herkömmlicher, traditioneller, nicht moderner Art
- ein typisches Beispiel für etwas
darstellend2
Wolfgang Müller et al. (Hg.): Duden »Bedeutungswörterbuch«, Mannheim, 1985, S.
379.
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»Klassisch» verweist also allgemein entweder direkt auf spezifische Epochen
(Klassik/Antike) oder auf bestimmte, normstiftende/-typische Attribute. Klassisch
(engl. classical) kann vieles sein (z. B. Filme, Reiseziele, Mode, Rock’n’Roll,
Verhaltenskodizes, etc.). Daher attestiert der Musikwissenschaftler Ludwig
Finscher dem Terminus eine – beklagenswerte – inflationäre Verwendung
und sieht hierin »ein wesentliches negatives Merkmal der Massen- und
Medienkultur«.3
Mag seine Kritik auch ein wenig harsch klingen, abgemildert wird sie durch sein
historisches Zitat einer Komödie aus der Mitte des 19. Jahrhunderts:
»Zangler: Was hat er denn immer mit dem dummen Wort klassisch?
Melchior (Hausknecht): Ah, das Wort is nit dumm, es wird nur of dumm
angewend’t.
Zangler: Ja, das hör’ ich, das muß er ablegen, ich begreif nicht, wie man in
zwei Minuten 50mal dasselbe Wort repetieren kann.
Melchior: Ja, das ist
klassisch.«4
Aus Nestroys Komödie ›Einen Jux will er sich machen‹, 1842, 1. Akt, 6.
Auftritt. Zit. nach: Finscher (1996) 224.
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