- 53 -Klußmann, Jörg: Musik im öffentlichen Raum 
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(1920) während der Pause einer Theateraufführung in der Pariser Galerie Barbazange auf, darüber hinaus propagierte er diese Idee in diversen Briefen und in einigen Entwürfen für fiktive Werbeanzeigen. Die Besucher der Galerie wurden mit folgendem Text im Voraus über den Zweck der Musik informiert:

»Wir bitten Sie dringend, ihr keinerlei Bedeutung beizumessen und sich während der Pause so zu verhalten, als ob keine Musik gespielt würde. Eigens für Max Jakobs Stück geschrieben, hofft sie, ein Beitrag zum natürlichen Leben zu sein, wie eine gelegentliche Unterhaltung, ein Bild in einer Galerie, oder wie ein Sessel, in dem man sitzt oder nicht sitzt.«111

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Shattuck, R.: Die Belle Epoque, München 1963, S. 164, zit. nach Wehmeyer (1974) 227.

Nicht nur die Idee an sich erinnert bereits an die Weise, wie z. B. Muzak Musik vermittelt, auch die Umsetzung an jenem Abend, insbesondere die bezweckte »Ortlosigkeit« des Erklingenden. Milhaud beschreibt den Verlauf des Konzerts:

»Damit die Musik gleichzeitig von allen Seiten zu kommen schien, brachten wir die Klarinetten in drei Ecken des Theaters unter, den Pianisten aber in der vierten und die Posaune in der Balkonloge. (...) Ganz gegen unsere Absicht strömte das Publikum jedoch eilends zu seinen Sitzen zurück, sobald die Musik einsetzte. Umsonst schrie Satie: ›Unterhaltet euch! Geht herum! Hört nicht zu!‹ Schweigend lauschten sie. Der ganze Effekt war verdorben, denn Satie hatte nicht mit dem Charme seiner Musik gerechnet. Dies blieb unser einziges öffentliches Experiment mit dieser Art von Musik.«112

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Milhaud, D.: Noten ohne Musik. Eine Autobiographie, München 1962. Zit. nach Wehmeyer (1974) 227.

Die »Musique d’Ameublement« an diesem Abend enthielt Teile aus »Mignon« (Abroise Thomas) und »Danse Macabre« (Saint-Saëns), zusammengehalten durch ein festes rhythmisches Muster.113

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Vgl. Wehmeyer (1974) 227.
Satie selbst notierte zu seiner Idee:

»Die ›Musique d’Ameublement‹ ist eigentlich industrieller Natur. Es herrscht die Sitte – die Gewohnheit – bei Gelegenheiten Musik zu machen, wo Musik nichts zu suchen hat. (...) Wir möchten nun eine Musik einführen, die die ›nützlichen‹ Bedürfnisse befriedigt. Die Kunst hat da nichts zu suchen. Die ›Musique d’Ameublement‹ erzeugt Schwingungen; sie hat keinen anderen Zweck; sie erfüllt dieselbe Rolle wie das Licht, die Wärme & der Komfort in jeder Form.«114

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Satie zit. n. Bärtschi (1998) 54.

Die Frage, wie ernst ihm die Idee einer »Mobiliarmusik« wirklich war bzw. ob sie überhaupt ernst gemeint war, entzieht sich letztlich der Deutung. In jedem Falle war sich Satie der Skurrilität des Einfalls bewusst, in der Idee einer »Musique d’Ameublement« ist deutlich der Geist des Dada zu spüren, auch erkennbar in seinen vielen privaten Entwürfen fiktiver Werbeslogans115

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Satie wird im Folgenden zit. nach Bärtschi (1998) 54f.
, z. B. »Verlangen Sie ›Musique d’Ameublement‹.«, »Die ›Musique d’Ameublement‹ hat keinen Vornamen.«, »Wer nie ›Musique d’Ameublement‹ gehört hat, kennt das Glück nicht.«,

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