- 96 -Klages, Thorsten: Medium und Form - Musik in den (Re- )Produktionsmedien 
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Geht es um neue Technologien, dann treffen deutsche Begriffe nur selten besser als englische. Gemeint sind Worte wie Computer, Software, Hardware, Sampler, Compact Disc etc. Dies aber trifft auf den Begriff »Interface«1

1 Halbach (München 1994).
nicht zu. Interface bezeichnet den Raum zwischen opaker Computertechnolgie und ihrer Peripherie (z.B. ein Monitor). Die deutsche »Schnittstelle«, ist dem englischen »Interface« vorzuziehen, da sie die Differenz als Einschnitt zwischen Außen und Innen, Form und Medium hervorhebt, und nicht, wie bei dem Begriff Interface, hinter Formen der zweiten Natur einer wie auch immer gestaltbaren Oberfläche verschwinden läßt. Differenz und nicht mehr Einheit und Identität ist heute Gegenstand vieler kultureller Produktionen und wissenschaftlicher Reflektionen. Dafür stehen u.a. die Diskurse, die unter den Schlagworten Dekonstruktion, Postmoderne, feministische Theorien, Poststrukturalismus und Systemtheorie geführt werden. Differenz, genauer: mediale Differenz, wird heute in der Musik ästhetisch in Szene gesetzt. Medium und Form werden dabei, das ist hier die paradoxe Formel, zum Meta-Medium (Luhmann) für Figuren der Auflösung und Intermedialität. Diese zunächst etwas befremdlich und abstrakt wirkende These, läßt sich in der Praxis z.B. anhand der ›montage visible‹ Williams Mix von John Cage verdeutlichen. Zur Erinnerung: in der Verdichtung von heterogenen Klangmaterialien bei Williams Mix sind innerhalb von vier Minuten 1097 Tonbandschnipsel zu hören. Cage führt damit nicht nur eine extreme Form der Collage vor, sondern er inszeniert den Tonbandschnitt und verkehrt dabei die Verhältnisse: Das einzelne Klangereignis rückt in den Hintergrund, während der Schnitt, die Leerstelle, das ›Zwischen‹ den einzelnen Tonbandschnipseln und damit die mediale Differenz als Form in den Vordergrund tritt.

»Bar jeder Anhänglichkeit ans Ideal der ›einwandfreien Wiedergabe‹, waren seine Tonbandaktionen vielmehr Schocks und demonstrierten zugleich, was sich nicht auf Tonband speichern läßt, und hier war es das Wesentliche.«2

2 Zeller (1990, S. 125).

Einschränkend zu den Ausführungen in diesem Kapitel muß wiederum eine Diskussion der Formen der Mediatisierung ausgeschlossen werden. Dazu zählen z.B. auch die kultursemiotischen Aspekte der Dekontextualisierung und Rekontextualisierung in den Praktiken der DJ-Culture.3

3 »A DJ purist is not about any specific kind of music apart from his own. He is a purist about the art of DJing. The pure concept of DJing and DJ music is putting different things together by taking things out of one context and into a new one. Making new sense by misinterpreting the old, one could say.« Lenz, Maximilian, http://www.detritus.net (12.11.1999).
Die thematisierten Formen der Medialisierung zielen im Gegensatz dazu auf die technisch-apparativen Aspekte der Technifizierung von Kultur ab, die als »Konstruktion von Darstellungen, Erkenntnissen und Erfahrungen, von Symbolisierungsprozessen aller Art [...] eingebunden [sind] in das signifikative System der Mediatisierung.«4
4 Reck (1994, S. 16.), vgl. auch Kapitel 3.2 »Medientheorie«.

Als Formen der Medialisierung in der Musik wurden in diesem Text bisher relativ willkürlich (als Formen im Medium des Recordings) die Formen im Medium der Zeitachsenmanipulation sowie die in Computermedien repositionierten Formen des Mediums Aufzeichnungstechnologie herausgearbeitet. In diesem Kapitel geht es darum zu fragen, wie sich, zum Zweck einer besseren Handhabung, die Formen der


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