- 71 -Klages, Thorsten: Medium und Form - Musik in den (Re- )Produktionsmedien 
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Und tatsächlich ging diese Prophezeiung nicht einmal einhundert Jahre später mit den HipHop-DJs aus der New Yorker Bronx in Erfüllung. Sie aber gaben sich mit einem einfachen Rückwärtsabspielen nicht zufrieden. Grandmaster Flash entwickelte das Verfahren des »Backspinnings«28
28 »Eine [...] technische Neuerung Flashs war das Backspinning, das schnelle Zurückziehen einer Passage, ohne die Beats zu verlieren. Ausrufe wie ’let’s dance’ oder ’rock it’ konnten nun endlos oft wiederholt werden und zwischen die Breakbeats gesetzt werden. Dies geschah auf zwei Arten: Entweder wurde das schnelle Zurückziehen als Soundeffekt (lautes Quietschen) genutzt, oder aber das Zurückziehen der Platte geschah vollkommen lautlos, indem der Crossfader schnell auf die andere Seite geschoben und erst nachdem die Nadel zurückgedreht war, wieder zurückgeschoben wurde. Je perfekter Flash diese Technik beherrschte, um so eleganter und feiner konnte er Teile eines Songs in einen anderen Song einbauen - ohne daß Klebespuren und Bastelflecken der Montagearbeit am Endprodukt wahrgenommen wurden. Obwohl Flash mit seiner experimentierfreudigen DJ-Virtuosität anfangs auf Zurückhaltung beim Publikum stieß, war er schon 1979 eine Berühmtheit.« Poschardt (1997, S. 173).
, das auch die Grundlage zu den Echtzeitmontagen der DJs (s.u.) bildet. Beim Backspinning wird die Schallplatte gegen die Laufrichtung schnell zurückgezogen. Daraus resultiert ein besonderer Soundeffekt. Spezielle Tonabnehmersysteme, die mit beidseitig geschliffenen Diamanten ausgerüstet29
29 Bahar (1996, S. 277).
sind, verhindern dabei ein Herausspringen der Nadel aus der Plattenrille. Eine weitere spezifische DJ-Praxis ist das Scratchen. Scratchen heißt die Schallplatte bei aufgelegter Nadel ruckartig vor- und zurückziehen. Dafür legt der DJ zwischen »turntable«30
30 Plattenteller.
und Schallplatte eine »slipmat«31
31 »Slipmats sind Filzplatten, die auf den Plattenteller gelegt werden, um den Widerstand der Scratch-Bewegungen auf dem Plattenteller abzufangen. Die Slipmat rutscht über den Plattenteller und mildert so die Bremswirkungen der gegen die Drehrichtung vorgenommenen Plattenbewegungen durch den DJ.« Poschardt (1997, S. 242).
. Aus Backspinning und Scratching ging als eigenständige Spieltechnik am Schallplattenspieler das »DJing« hervor.

»Das Erzeugen von Klangeffekten durch rhythmisches Vor- und Zurückbewegen der Schallplatte wird generell als Scratchen bezeichnet. Dabei bewegt eine Hand die Platte, während die andere am Mixer mit dem Crossfader oder Transformer das Zurückholen der Platte ausblendet. Fingerspitzengefühl und rhythmisch-musikalische Koordination beider Hände sind daher wichtige Voraussetzungen für das Scratchen. Diese Technik wurde im Laufe der Zeit so sehr weiterentwickelt und verfeinert, daß [...] ein Spezialgebiet enstanden ist: Das Djing im Studio oder auf der Bühne als Mitglied einer Rap Band.«32

32 Bahar (1996, S. 279)(Hervorhebung im Original).

Taner Bahar unterscheidet perkussives Scratchen und kommentiertes Scratchen. Beim perkussiven Scratch »soll das Feeling des Beats, den Flow durch rhythmische Akzente unterstützen.«33

33 Ebd.
Häufig werden für perkussive Scratches Bass- oder Snare-Drum Sounds verwendet. Kommentiertes Scratchen arbeitet mit einzelnen Worten oder Sätzen. Der DJ unterstützt oder kommentiert die Aussagen der Rapper/innen.

Die »Turntable trickery«34

34 Fernando (1994, S. 223).
der DJs hat heute in der populären Musik den Status einer eigenen Kunstform mit regelrechten Virtuosen am ›Instrument‹35
35 S.H. Fernando schreibt z.B. über das Spiel des DJ-Akrobaten Rob Swift: »Demonstrating the X-Men’s speciality, Rob makes new beats by scratching certain segments of records and cutting between turntables with blurring speed and precision. Without headphones, he cuts by sound, sight, and feel, his fingertips gliding alternately over each platter as the free hand slides the cross fader. Teasing the fader back and forth rapidly while deftly massaging the record produces fluid chirping sounds, which he improvises into a melody as his hand dances over the revolving disc. Sometimes Rob also moves the pitch control up and down, changing the speed of the record as it revolves. He coaxes sounds from the wax that the turntable, left alone, would never have produced, creating something uniquely his own. In this respect Rob and his crew are musicians, playing the turntables as one would play the saxophone, drums, or guitar.« Ebd. (S. 223).
hervorgebracht. DJing ist eine Form im Medium des Recordings, die längst nicht mehr

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