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4.1.1.1.1 Mechanisch-analoge Phase
Die Beschreibung der mechanisch-analoge Phase der Schallplatte beginnt mit einem Engel, der die Schwingungen der Materie zur Schrift bringt.



Abb. 4.2: Emil Berliners Firmensignet


»Alles fließt [...] alles dreht sich (um). Von der Fließbewegung des Wassers und des Lichts und von der Drehbewegung der Erde nahm alles Aufzeichnen und Wiedergeben seine Bewegungen ab, seit Helmholtz und Hertz den Satz ergänzt hatten: alles fließt, aber in Wellen. Und seit Bell und Edison aufging, daß ›dem Fließenden‹ mit einer Drehbewegung zu begegnen sei, damit es sich nicht im Unendlichen verliere, sondern sich aufschreibe. ›Einen Stift anbringen‹ (an die Erde) [...] Borste, Kratzer, Griffel, Nadel [...] zum wellenförmigen Einritzen [...] und die Erde irgendwo einhängen mit ihrer Achse in ein festes Gestell [...] damit aus Urgeräusch und ewigem Licht, Gottes Medienterror, endlich Sound werden konnte und Bildstreifen [...] Kinos und Platten. Von der Walze auf die Platte kam zuerst Emil(e) Berliner 1887. Im vollen Bewußtsein seiner Gott-Beerbung griff er dazu in den Himmel, holte aus diesem den biblischen Aufschreibengel runter, und setzte ihn, 1899, Federkiel in der Hand, aufs Label seiner schwarzen Abspielscheibe [...] und es ging [...] der Engel nahm den Job [...]«10

10 Theweleit (1994)(Hervorhebungen im Original).

Die ersten mechanischen Aufschreibesysteme für akustische Schwingungen wurden bereits Anfang des 19. Jahrhunderts erprobt. Schwingungen eines Körpers (einer Stimmgabel) wurden direkt auf einen Informationsträger (berußte Glasplatte, Zylinder) aufgezeichnet. Mit anderen Worten: Die sich in der Zeit entfaltenden Schallwellen im Raum, wurden auf einer Wegstrecke als Schrift abgebildet. Die aufgezeichneten Wellen registrierten Frequenz und Intensität der Schallwellen. Nur wenige Jahre später wurden beim Nadeltonverfahren des »Phonoautographen« (1855) von Edouard Leon Scott de Martinville Luftschwingungen nicht mehr unmittelbar mechanisch, sondern mit Hilfe einer Membran registriert. Mit dem »Parléophone« beschrieb Charles Cros im April 1877 ein Gerät, das Schallschwingungen nach dem Prinzip von Scott nicht nur aufzeichnen, sondern auch wiedergeben konnte. Im Dezember 1877 kombinierte Thomas Alva Edison (unterstützt von John Kruesi) die Techniken des Telegrafs und des Telefons und konstruierte – eine Figur der Intermedialität – den ersten funktionierenden Apparat zur Speicherung und Reproduktion von Musik und Sprache: den »Phonographen« (siehe Abbildung 1.1).


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