- 60 -Klages, Thorsten: Medium und Form - Musik in den (Re- )Produktionsmedien 
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Formen (Luhmann) der (Re-)Produktionsmedien werden im Medium des »Recordings«1

1 Cutler (1995, S. 39).
entwickelt. Recording ist ein Mittel zur Fixierung bzw. zur Speicherung von Musik mit allen darin enthaltenen Potentialen für neue musikalische Formen. Wie Recording als Medium sich qualitativ von dem Medium der Notenschrift unterscheidet, kann, dem Konzept von Chris Cutler entsprechend, wie folgt beschrieben werden: (1) Die Tonaufzeichnung verweist die Musikproduktion wieder zurück auf das Ohr. Der Klang wird zum primären Gegenstand. »Tonaufzeichnung ist Klangerinnerung«.2
2 Ebd.
(2) (Re-)Produktionsmedien ermöglichen eine zeitlich unabhängige, technisch vermittelte Manipulation und Montage des Klanges oder einer konkreten Aufführung auf empirische Weise durch Hören. (3) Tonband und Tonstudio sind veritable Musikinstrumente: Duch die Möglichkeit Schneide- und Klebeoperationen vornehmen zu können ist, wie z.B. beim Tonband, die konkrete Aufführung von ihrem linearen Ablauf auf der Zeitachse enthoben und läßt sich horizontal montieren. Auf diese Weise kann z.B. eine Improvisation in der Musikaufführung durch spätere Bearbeitung in die Komposition mit einbezogen werden. Weiterhin kann das Tonband rückwärts, vorwärts und in verschiedenen Geschwindigkeiten laufen. Eine weitere wichtige Entwicklung ist, mit Cutler, die Mehrspuraufnahmetechnik mit den damit neu hinzugewonnenen Handlungsoptionen der vertikalen Montage. Dazu zählen die unkomplizierte Synchronisation genauso wie die Möglichkeiten zum selektiven Ergänzen (Overdubbing) und Löschen einzelner Klangabschnitte. Das Gestalten von Musik auf dem Tonband schließt neben den Manipulationsmöglichkeiten am Tonband selbst auch die benutzten elektronischen Anlagen mit ein. Ergänzt durch die Möglichkeiten zur elektronischen Klangveränderung vor und nach der Aufnahme hat sich, mit Cutler, das Tonstudio vom reinen Dokumentationswerkzeug zum Musikinstrument entwickelt.

Will man die Formen im Medium des Recordings beobachten, muß zwischen den Formen der Mediatisierung und den Formen der Medialisierung unterschieden werden. Mit Mediatisierung sind die semiotischen-, mit Medialisierung die technisch-apparativen Aspekte in den Prozessen medialen Bezeichnens und Unterscheidens gemeint (s.o.). Die Untersuchungen in diesem und im folgenden Kapitel beschränken sich auf die Aspekte der Medialisierung. Das Ziel dieses Kapitels ist, exemplarisch die medialen Formen der analogen Aufzeichnungstechnologien Schallplatte und Tonband als Teilmedien des Mediums Recording zu beschreiben.

Ohne in die Zentralproblematiken des Begriffs Repräsentation einsteigen zu wollen, könnte man an dieser Stelle fragen: worin liegt heute der Reiz einer Untersuchung von Medienmusik auf der technisch-apparativen, materiellen Ebene, ausgerechnet mit den anachronistischen Medien Schallplatte und Tonband? Was im Zeitalter der digitalen Medien die Auseinandersetzung mit den Formen der Medien Schallplatte und Tonband wieder interessant macht, ist nicht allein die Rede von den »Retrophänomenen in den 90ern«3

3 Vgl. Büsser (1997).
, sondern auch die Beobachtung, daß eine Repositionierung (von Formen) analoger Medien in den digitalen Medien stattfindet. Auf den Oberflächen der Computermedien werden analoge Medien neu sichtbar und neu verschaltbar. Sie prägen sich in das Interfacedesign und in die Funktionsgestaltung

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