- 57 -Klages, Thorsten: Medium und Form - Musik in den (Re- )Produktionsmedien 
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Basis: auf Medium und Form. Es lassen sich – und das ist hier die Erwartung – Beschreibungsmodelle entwickeln, die sowohl den medialen, als auch den nichtmedialen150
150 Klassische Musiktheorie, Formenlehre etc.
Formen in der Musik Rechnung tragen können. Mit anderen Worten: Man gewinnt mit Medium und Form eine komparatistische Methode, die nicht mehr Einzelelemente, sondern Relationen miteinander vergleicht. Hier geht es somit nicht darum, die musikwissenschaftlichen Erkenntnisse und Methoden als wertlose Beschreibungsmodelle für eine durch Medientechnik revolutionierte Musikpraxis abzuschaffen, sondern sie in die Analyse von Medienmusik, solange von Musik und nicht von Akustischer Kunst die Rede ist, sinnvoll mit zu integrieren.

Der postmodernen Beliebigkeit des »alles ist auch anders möglich« (Luhmann) entkommen Kunstwerke, indem sie sich ihr eigenes Medium für (Kunst-)Formen selbst erschaffen und pflegen. Das Primärmedium der Musik in der alteuropäischen Musiktradition z.B. sind Töne. Im Medium der Töne konnte die Musik ihre eigenen Funktionen als Medium ausweiten. Dieses Medium oder dieser Pool an Möglichkeiten, dieser »Spielraum«151

151 Seel (1998, S. 247).
, aus dem künstlerische Formen ›geschöpft‹ werden können, wird z.B. durch Negation (Adorno) ständig erweitert und vergrößert. Kunst verstehen heißt – mit all den damit verbundenen Schwierigkeiten und hier nicht zufällig mit Marshall McLuhan gesprochen – ihr Medium verstehen.

»Das Musikkunstwerk schafft sich ein eigenes ›woraus‹ der Selektion, einen Raum sinnvoller kompositorischer Möglichkeiten, auf den die fixierte Musik in einer Weise zugreift, die als Auswahl kenntlich ist und andere Kompositionen nicht bindet. [...] Als Kommunikation funktioniert Musik nur für diejenigen, die diese Differenz von Medium und Form nachvollziehen und sich über sie verständigen können, die den entkoppelten Raum mithören können, in dem die Musik spielt; [...] Die Kunst etabliert, mit anderen Worten, eigene Inklusionsregeln, denen die Differenz von Medium und Form als Medium dient.«152

152 Luhmann (1986, S. 8f).

»Medien entstehen mit den Formen, die eine strengere Kopplung von Sinnmomenten ausprobieren, sie entstehen also im kommunikativen Gebrauch. Daher muß alle medienspezifische Kommunikation sich immer auf andere Kommunikation im selben Medium beziehen, um das Medium selbst zu etablieren.«153

153 Luhmann (1990b, S. 255).

Eine Erweiterung des Medien und Formen-Pools in der Musik, auch durch Inklusion von Medientechnik, muß demnach konstatiert und nachvollzogen werden – mit zahlreichen Folgen wie z.B. der Umstellung der Musikkomposition von Intervallen auf das Primärmedium Frequenzen (Kittler). Das schließt die Möglichkeit Töne zu koppeln nicht aus, aber viele andere Möglichkeiten der Beschreibung mit ein. Da diese Umstellung von (Re-)Produktionstechnik stark begünstigt, wenn nicht sogar initiiert wurde, soll versucht werden, Recording als Luhmann-Medium plausibel zu machen. Daß Medientechnik in der Musik vom Hilfsmittel zum Medium für musikalische Formen avanciert, zeigt Luhmann am Beispiel der Notenschrift, die »zunächst nur als technisches Hilfsmittel benutzt wird, dann aber auch als Medium für die Aufnahme graphischer Formen entdeckt wird, die optisch einschränken,


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