leiser,
länger oder kürzer gespielt werden soll. Umgekehrt rächt sich
der Musikwissenschaftler mit Geringschätzung einer bestimmten Interpretation,
vor allem wenn ein Interpret etwa die von ihm rekonstruierten metronomischen
Tempi ignoriert oder eine von ihm mühsam herausgefundene Motivbeziehung
glattweg übersehen hat. (Daß sich im Hinblick auf Interpretationsfragen
im Bereich der historischen Musikwissenschaft in jüngster Zeit doch einiges
geändert hat, sei nicht verschwiegen!)
Seinen sachlichen Grund hat dieses wechselseitige Aneinandervorbeireden vor allem in dem Umstand, daß die historische Musikwissenschaft dazu tendierte, sich überwiegend mit den Musikwerken als einer Art von tektonischen Gesamtgebilden zu beschäftigen und nicht als einen – wie es dem Interpreten naheliegt – jeweils in der Zeit ablaufenden Prozeß, bei dem es wesentlich auch auf die Beziehung zwischen dem jeweiligen zeitlichen „Jetzt“ im Verlauf des Spiels und dem unmittelbar vorhergegangenen und unmittelbar folgenden Abschnitt ankommt, die es interpretatorisch zu gestalten gilt.2
Bleibt also die Zuordnung der G-Moll-Ballade zur wie auch immer modifizierten Sonatenform für den Interpreten eher zweitrangig, so gälte dies nicht mehr für eine andere Einordnung eines konkreten Einzelgebildes in ein anderes vorgeordnetes Schema, nämlich für die Zuordnung eines musikalischen Verlaufs bzw. einer Satzstruktur zu einem bestimmten Musiktypus, wie es im Hinblick auf den Gattungstypus Walzer bei Chopins Balladen verschiedentlich – zumeist unter beleghafter Gegenüberstellung der Takte 137 ff. und Ausschnitten aus dessen Walzer op. 34 – erfolgt ist3
|