G.
Calmus 1912
In jedem Beruf weit und breit
Beschummelt
der Bruder den Nachbar;
Dieb
und Dirne heißt heut Mann und Weib,
Kein
Stand hält den andern für achtbar.
Der
Priester den Richter verdammt,
Der
meint dann, der Pfaffe betrügt,
Und
der Staatsmann im höchsten Amt
Glaubt
so wenig wie ich, daß er lügt.
E. E.
Buschmann 1770
Daß jeder sich den Vorzug giebt,
Und
seinen Stand am meisten liebt,
Wer
will daß verwehren?
Daß
man die andern insgesammt
Verläumdet,
hechelt und verdammt,
Das
läßt sich erklären.
E. E.
Buschmann 1775
Man reise durch die ganze Welt:
Die
höchste Loosung ist das Geld
Von
einem Pol zum andern!
Was
hemmet da die stolze Ruh?
Ein
Weiser schließt die Kasten zu,
Und
läßt die Narren wandern.
B.
Brecht 1928
Wach auf, du verrotteter Christ!
Mach
dich an dein sündiges Leben!
Zeig,
was für ein Schurke du bist
Der
Herr wird es dir dann schon geben.
Verkauf
deinen Bruder, du Schuft!
Verschacher
dein Ehweib, du Wicht!
Der
Herrgott, für dich ist er Luft?
Er
zeigt dir's beim Jüngsten Gericht!
H.
M. Enzensberger 1960
Ja, verdien dir ein ehrliches Brötchen nur:
Dein
Nachbar fällt brüderlich über dich her,
er
heißt dich einen Schuft und dein Weib eine Hur.
So
macht einer dem andern das Leben schwer.
Der
bessere Herr, der wird fertiggemacht
vom
besseren Herrn. Das ist ärgerlich:
Kaum
hat so ein Kerl es zum Kanzler gebracht,
schon
meint er, er wäre so ehrbar wie ich.