- 34 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Theorie und Praxis der Musik 
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Anhand dieser Gegenüberstellung von vier Komponistenbiographien zeigt sich als Fazit, daß ein Überleben innerhalb des Regimes als Dissident oder Verfemter nur schwer möglich war. Sowohl Ullmann als auch Distler sind dem Regime zum Opfer gefallen, und Hartmanns Untertauchen ist ein singulärer Fall, für den bestimmte Voraussetzungen notwendig waren. Ferner erweist sich, daß es sowohl Emigranten als auch Opfer der Konzentrationslager in der Nachkriegszeit schwerer hatten als in Deutschland Verbliebene. Von den Emigranten brachten es nur diejenigen zu Nachkriegsruhm, die vor 1933 schon in breiten Kreisen bekannt waren, wie Hindemith und Schönberg. Ihnen galt die erste Aufmerksamkeit etwa bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik nach dem Kriege.10

10 Vgl. Siegfried Mauser, Emigranten bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik in Darmstadt (1946–1951), in: Musik in der Emigration 1933–1945, hg. von Horst Weber, Stuttgart u. Weimar 1994, S. 241–248.

Im Gegensatz zu den Emigranten und den in Konzentrationslagern umgekommenen Komponisten spielten diejenigen, die während des Dritten Reiches in Deutschland geblieben waren, im Nachkriegsdeutschland eine beachtliche Rolle. Genannt seien hier Carl Orff, Werner Egk, Wolfgang Fortner, Harald Genzmer, Cesar Bresgen, Armin Knab, Günther Bialas, Johann Nepomuk David, Ernst Pepping und auch nochmals Hartmann und Distler. Bei den meisten dieser Komponisten ist bis heute noch völlig unklar, welche Wege sie zwischen Anpassung und Verweigerung in den zwölf braunen Jahren gefunden haben, wobei die Komponisten und ihre Nachfahren und Erben zu dieser Verdunkelung viel beitrugen und noch beitragen. In diesem Zusammenhang seien die Namen Orff, Fortner und, was die Erben anbetrifft, Richard Strauss, nicht verschwiegen. Und wenn die Variationen über alte Volkslieder für Blockflöte und Klavier aus dem Jahre 1937 heute aus Musikschulgebäuden heraustönen, dann gerät die braune Ideologie, die sie hervorgerufen hat, in Vergessenheit, wogegen die Kasse bei Verlagen und Erben weiter klingelt.

Die Aufarbeitung der jüngeren, noch nicht voll etablierten Komponisten, die ins Exil gegangen sind oder in den Konzentrationslagern ermordet wurden, hat im Gegensatz hierzu im Grunde vierzig Jahre auf sich warten lassen. Genau wie Viktor Ullmann taucht auch Berthold Goldschmidt im Brockhaus-Riemann-Musiklexikon aus dem Jahre 1979 – in deutlichem Gegensatz zu allen oben genannten – nicht auf.


Auch so fortschrittliche Kreise wie die Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik haben kaum nach Emigranten und KZ-Opfern unter den Komponisten gefragt.11

11 A. a. O. (s. Anm. 10).

Ohne genaue Zahlen zu kennen läßt sich sicher sagen, daß die Verkaufsziffern der Werke Distlers und Hartmanns ungleich höher stehen als diejenigen von Ullmann und Goldschmidt. Den Komponisten selbst kann man die Schuld dafür

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