- 118 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Theorie und Praxis der Musik 
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Blieben die vorherigen Überlegungen über die „erzeugende“ Wirkung des Chopin-Akkordes als Erfindungskeim (und damit korrelierend die Konstruktion von Einheit) bisher auf Haupt- und Seitenthema (den Epilog eingeschlossen) beschränkt, so sei nun sein generierendes bzw. einheitsstiftendes Moment an Figuren gezeigt, die jenen Formabschnitten angehören, die in der Literatur eher unter dem Aspekt der Überleitung oder – gleichfalls subordinierend – als Spielfiguren-Passagen gesehen werden, obwohl sie unter dem Aspekt der Narration gleiches ästhetisches Recht beanspruchen wie die thematischen Partien und überdies Aspekte thematischen Arbeitens aufweisen. Die prominentesten Beziehungen sind jene zwischen dem Hauptthema und seiner mittelbar abgeleiteten Fortsetzung Takt 36 ff. sowie jene zwischen ihm und der Spielfigur Takt 48 ff. Bei ersterer ist der Bezug auf den Akkord eher mittelbar, sie wird an späterer Stelle in anderem Zusammenhang ausführlicher betrachtet, bei letzterer sei hier lediglich eine zusätzliche Bemerkung, den genetischen Aspekt betreffend, angeführt.


Notenbeispiel 12


Neil David Witten beispielsweise diskutiert im Kontext dieser Figur insbesondere deren Sekundvorhalte, die er in einen größeren Motivplan der Ballade einordnet44

44 The Chopin ‘Ballades’: an analytical study, Diss. Boston University, Boston 1979, S. 49.

(wozu ebenfalls weiter unten noch einiges auszuführen ist). Unterm genetischen Aspekt läßt sich hinzufügen, daß hier wiederum dieselbe Konstellation vorliegt, wie beim Seitenthema selbst: Chopin-Akkord und sog. Viertonmodell, letzteres in der Form der „unvollständigen Brechung“45
45 Vgl. weiter oben S. 105 ff., insbesondere Anm. 31; ferner dazu vom Verfasser, Frédéric Chopin..., a. a. O. (s. Anm. 16), S. 154 f. Die Figur mündet in Takt 56 in Passagen (mit zweitaktiger, ab Takt 62 mit eintaktiger Periode), deren Kopf vom Viertonmodell in „vollständiger Brechung“ bestimmt ist. Der Übergang von der unvollständigen zur vollständigen Brechung (Takt 55 nach 56) findet in derselben Lage statt und ist gewissermaßen auskomponiert. Daneben kommen in der Ballade noch weitere Anwendungen des vollständig gebrochenen Modells als Figuration vor, etwa Takt 126 ff. (mit vergleichbarem Anschluß an das Vorherige und einer ebenfalls auf das Modell beziehbaren Fortführung in Takt 130 ff., deren „symmetrischer“ harmonischer Aufbau von Emmanuel Amiot [Pour en finir avec ‘le Désire’. La notion de symétrie en analyse musicale, in: Analyse Musicale, 7. Jg. (1991), Nr. 22 (1) (Feb.), S. 92] untersucht wurde), in Takt 150 ff. (vgl. dazu auch weiter unten, S. 120 ff.) oder in Takt 156 f. (mit einer spezifisch pianistischen Verknüpfung der Figuren durch Tonwiederholung; vgl. dazu vom Verfasser, a. a. O., S. 147 f.).

, womit über den bloßen Sekundvorhalt

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