- 425 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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drei Seiten, »für eine Abhandlung zu wenig, für einen Aphorismus zu viel«, wie der Fürst herablassend bemerkte, dem das Werk zu seinem Unmut gewidmet war.

Bei Nacht und Nebel verließ Wilhelm die Stadt und hastete bei Mondlicht ohne Stock behende in das Waldgebirge. Dort soll ihn noch in der gleichen Nacht der Teufel gerufen haben. Seither sagen die Leute, wenn sie in dieser Gegend unterwegs sind und der Kuckuck ruft, dies sei Wilhelm, der den Chor, welcher heute unter dem Titel »Tochter Zion, freue dich« bekannt ist und von dem berühmten H. . . in L. . . stammt, in die Gestalt seiner Pedalsoli gebracht habe. Die Kinder aber, wenn sie Weidenstöcke schneiden, nennen diese »Wilhelm-Stöcke.«

Wilhelmen seinen Namen zu rauben, ist dem Teufel gelungen, nicht aber, diesen aus der Erinnerung der Nachfolgenden zu löschen. Die Eulenburg-Taschenpartitur Nr. 405 ist hierfür ebenso Zeugnis, wie es die übrigen schon benannten bibliographischen Werke Wilhelm Altmanns sind. Dieser muß nun in der Hölle ohne Ende die Orgelwerke seines musikalischen Abgottes B. . . spielen, und dies auf der Feuerorgel, die gesamte Peters-Ausgabe von Band I an bis hinauf zu Band IX und wieder von vorne.

* * *

Der alte B. . . , als er dieses Dauer-Martyrium hörte, sprach zu dem neben ihm an eine Wolke gelehnten und ebenfalls lauschenden Jesus Christus: »Kann man, mit Verlaub, Majestät, dieses teuflische Geleier nicht abstellen?« »Mitnichten, mein Guter!«, antwortete jener. »Auch mein Papa ist da machtlos. Nun kommen die Folgen deines lebenslangen Fleißes auf dich zurück. In Altmanns irdischer Version hätten die ganzen neun Bände nicht mehr Töne gehabt, als sie das Girl of Ipanema insgesamt hat. Aber nun hat Bruder Mephisto ihm wieder ein gesundes Bein gemacht, und er muß alles in Ewigkeit so spielen, wie du es in deinem nie versagenden Eifer geschrieben hast. Das sind seltene Leute, die sich so beschränken können, wie er das konnte. Und sie müssen dann auch noch dafür büßen. Du hättest es ja auch bei einem Band belassen können. Eigentlich müßte das System geändert werden, und du solltest derjenige sein, der alles immer von Neuem abnudeln muß. Aber solange das System so ist, wie es ist: Tut mir leid, Herr Organist, Konzertmeister, Kapellmeister, Musikdirektor, Kantor, kurfürstlich-sächsischer und königlich-polnischer Hofcompositeur außer Diensten, nichts zu machen!«

Und damit ging er in die Music-Hall, um den inzwischen ebenfalls eingetroffenen Jobim zu hören.


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