ohne daß Wilhelm es hätte verhindern, geschweige denn ihm
folgen oder des ihm unentbehrlichen Werkzeuges hätte wieder habhaft werden
können.
Trübe ward sein Sinn. Denn humpelnd, ohne Stock, würde er W. . . heute nicht mehr
erreichen. Er wankte in das nahe Weidengebüsch, sich einen neuen Stock zu brechen.
Und da kam es über ihn: Mit dem Wanderstab war ihm auch die besondere Form des
neuen Akkordes abhanden gekommen. Wie er auch grübelte und nachsann – sie wollte
ihm nicht einfallen. Er stürzte nieder und wand sich weinend im Grase, und wie er
eindämmern wollte, rauschte der Bach neben seinem Kopfe. Der Mond war schon
gekommen, die Sternlein hinterdrein, und so schaute er unter Schmerzen in den silbernen
Spiegel hinein.
Nichts hatte er nun mehr als Mitbringsel für seinen ihm noch unbekannten Ohm, den im
ganzen Lande gerühmten Kalkanten und Rastralmacher Johann Hindukusch Eygelb, den
»Bezwinger der Bälge«, wie er bewundernd genannt wurde. Wilhelm schlief unter
Tränen am Ufer ein, und ihm träumte, ein krasser bolivianischer Außenseiter habe den
Giro d’Italia gewonnen, und zwar im Spurt. Er schreckte im Mondlicht auf und
wußte nicht, was er mit den fremden Worten anfangen sollte. So sprang er
auf und eilte an seinem Weidenstengel weiter fort. Das Bein schmerzte, und
der Akkord blieb aus. Nur der Dur-Dreiklang auf der kleinen Obersekunde
zeigte sich immer wieder, irrlichternd und wie aus Schadenfreude. »Verfluchter
Neapolitaner!«, brachte Wilhelm zwischen den Zähnen hervor und keuchte
weiter.
Das Städtchen W. . . hatte sich herausgeputzt, um die Rückkehr seines großen Sohnes
würdig zu begehen. »Zwar ist er nicht hier geboren, sondern nur ein Teil seiner
Vorfahren, auch weiß er nicht, daß wir von seiner Ankunft Kenntnis haben, aber es
darf uns dennoch keine Möglichkeit entgehen, die Reputation unseres Ortes zu
vernachlässigen«, sagte in bewährter Gewichtigkeit und Wortgewandtheit der
Bürgermeister, ein stattlicher Mann und Sattlermeister mit Namen Johann
Leberecht Stiefel, als der bunt geschmückte Zug auf den Ruf des Türmers vor
die Tore gelangte, welcher gemeldet hatte, am Fuße der Berge sei ein Punkt
auszumachen, der sich allmählich in die Richtung auf W. . . zubewege. Auch der Ohm
Eygelb schwankte im Zuge mit, so schweren Herzens er sich auch von den Bälgen
getrennt hatte. »Es muß sein!«, hatte ihn sein treues Weib Elfriede immer wieder
bestürmt, bis er endlich ächzend und schnaubend von seinem Kalkantenturme
herabgestiegen war. »Nun denn, wenn es des Höchsten Wille ist, so will ich mich
bequemen und ihn empfangen, diese Hoffnung unseres Landes, dieses Licht in der
Nacht, den Erlöser des Septen-Akkordes.« So hatte er gesprochen und mit
seinem schwerleinenen Sacktuche die Schweißperlen aus dem faltigen Antlitz
hinweggewischt, um sich dann mit einer altväterischen Wucht zu schneuzen, daß die
Tauben aus den Glockenfenstern des Münsters