seine Position dem
Gedicht gegenüber kenntlich macht. Die ersten Worte des fünften Sonetts: “Make me thy
lyre” – Mach mich zu deiner Lyra! werden in ein Klangzeichen umgeformt, das die
Gestalt eines nonverbalen Rufs hat: vier Silben, vier Akkorde. In der zweiten
Sinneinheit des Sonetts (Zeile 3–6) ist von einem tiefen, herbstlichen Ton (“a
deep, autumnal tone”) die Rede, und Henze läßt es sich nicht nehmen, von
hier an bis zum Schluß des Satzes einen tiefen Orgelpunkt auf dem Ton Cis
erklingen zu lassen. Über diesem Basisklang wird allerdings in metrisch aufgelösten
Klangfeldern dem Gedanken “Sweet though in sadness” – süß, wenngleich voll Trauer
improvisationsartig Raum gegeben. In der dritten Sinneinheit (Zeile 7–11) bricht die
Hoffnung des Dichters, mit seinen Versen die ganze Menschheit erreichen und
bewegen zu können (“my words among mankind!”), mächtig hervor. Auf diesen
pathetischen Gestus reagiert Henze wiederum adäquat, indem er, angeführt vom
Solocello, einen erhabenen Gesang anstimmen läßt, der, von dichten Akkordflächen
unterstützt, sich auf eine Klimax hin bewegt, auf deren Zenit das Wort “mankind” –
»Menschheit« zu denken ist. Mit der vierten Sinneinheit (Zeile 12–14) erreicht das
Gedicht und damit die gesamte Ode endlich den Höhepunkt in dem Ruf nach
neuem Leben: “can Spring be far behind?” – kann der Frühling da sehr weit
sein?
An dieser Stelle weicht Henze nun von der emotionalen Kurve, die der Dichter bilderreich beschreibt, ab. Das Akkordmotiv “Make me thy lyre”, das den Satz in einer prächtig instrumentierten Fassung eröffnet hatte, kehrt wieder. Die Akkorde sind in ihren Tonhöhen und Oktavregister nicht verändert, ihr Klang wird allerdings ins Pianissimo zurückgenommen. Auch die Musik zu den emphatischen Worten “The trumpet of a prophecy!” – Die Trompete einer Prophezeiung! erklingt ganz leise und wispernd. Ganz am Ende des Satzes kehren die Akkorde nochmals wieder und werden nun sogar bis ins vierfache Piano gedämpft, verbunden mit der Preisgabe des skandierenden Rhythmus, der den Worten “Make me thy lyre” abgelauscht war. Diese Zurücknahme des Pathos, die in Shelleys Gedicht kein Gegenstück hat, kann als Stellungnahme des Komponisten gelesen werden, dessen Liebe zwar dem revolutionären Romantiker gilt, der nach der Erfahrung der jüngsten Geschichte – das Ende des 2. Weltkriegs lag gerade sieben Jahre zurück – aber die zukunftsfrohe Haltung des Dichters nicht mehr sich zu eigen machen konnte. |