Entwicklung, die parallel zum Kampf um das Frauenwahlrecht und Emanzipation
verlief.3
Dieses breite, oft mit sich selbst politisch hadernde Bündnis der Arbeitermusikbewegung hielt auch den Verfolgungen durch den Nationalsozialismus stand: Chorkonzerte wurden zum Treffpunkt für Widerständige, bestimmte Lieder als Symbole des Widerstands halfen den aufrechten Gang bewahren, jüdischen Künstlern wie dem berühmten Chorleiter Rosebery d’Arguto wurde Deckung geboten, die sie lange vor dem Berufsverbot schützten, auch wenn sie letztendlich ihre Vertreibung oder gar Ermordung meist nicht verhindern konnten.4
An dem Schnittpunkt zwischen Arbeitermusikbewegung, Reformpädagogik und Jugendmusikbewegung ist eine Neuköllner Institution entstanden, die sowohl die außerschulische Musikerziehung wie die Konzeption von Musiksoziologie als Wissenschaft beeinflußte: Die Musikschule Neukölln, als dritte deutsche Musikschule 1927 gegründet und als Alternative realisiert zu den kurz vorher aus dem Geist der Musikantengilde Fritz Jödes entstandenen Einrichtungen. Bewußt in einem Arbeiterbezirk gegründet, bewußt sich an unterprivilegierte Kinder und Jugendliche richtend versuchten Ernst Lothar von Knorr und insbesondere Hans Boettcher eine Symbiose von reformpädagogischen Ideen und Methoden, der Jugendmusikbewegung entlehnten Formen musikalischer Praxis und volksbildnerischen Idealen der Arbeiterbewegung zu schaffen, unter den Fittichen des sozialdemokratischen Politikers Kurt Löwenstein, lange Jahre bildungspolitischer Sprecher der SPD im Reichstag. Die Praxis der Musikschule Neukölln in der späten Weimarer Zeit ist von einer Offenheit, Fundiertheit und Qualität, daß sie noch heute als Modell dienen kann. Komponisten wie Paul Hindemith und Hanns Eisler arbeiteten dort, der junge Harald Genzmer fand noch nach 1933 dort Unterschlupf. Für die Musikwissenschaft relevant ist diese Institution, weil sie die Wiege der Zeitschrift Musik und Gesellschaft5
|