- 269 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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ces vor b). Wenn man ein Zusammenklingen des Nonenvorhaltes mit seinem Lösungston umgehen will, ergeben sich im fünfstimmigen Satz dabei zwangsläufig die im Notenbild eingetragenen Oktavparallelen. (Die Fassung mit None plus Grundton führte Chopin wie ebenfalls schon erwähnt zuvor bereits im Zusammenhang mit dem D7-Akkord ein, allerdings dort ohne gleichzeitige Verbreiterung auf einen Doppeltakt und unter Verwendung der großen statt – wie im Folgenden – der kleinen None.) Die kleinen Nonen bilden – wie schon ausgeführt – jeweils zusammen mit den übrigen Tönen vermindert-kleine Septakkorde, die bisweilen unter Absehung von der enharmonischen Schreibung mit dem Tristanakkord in Verbindung gebracht werden39
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Robert W. Wason spricht davon, daß ”mm. 26–36 are easily read as the prolongation of a single harmony, A7, albeit an Tristan-like detour to the flat side of the circle of fifth” sei (a. a. O. [s. Anm. 10], S. 112). Zu dem Kriterien, um im vollen Sinne von Tristan-Akkorden zu sprechen, vgl. vom Verfasser: Der Tristan-Akkord und seine Behandlung in der Harald-Schmidt-Show unter besonderer Berücksichtigung der Differenzen von stufentheoretischer und funktionellharmonischer Betrachtungsweise – und ein bißchen Adorno ist auch dabei, in: Vermittelte Musik. Freundesgabe für Walter Heise zur Emeritierung, hg. von dems., Osnabrück: Universität, Fachbereich Erziehungs- und Kulturwissenschaften 2001 (= Schriftenreihe des Fachbereichs Erziehungs- und Kulturwissenschaften; Bd. 17), S. 237 ff.
; funktional wären diese Klänge als Mollsubdominantakkorde mit hinzugefügten Sexten und Terzen im Baß auffaßbar, die sich zusammen mit den nachfolgenden Dominantseptakkorden auf die nächsten Akkorde als vorübergehende Toniken beziehen: Es-Moll und F-Dur bezogen auf B-Dur/Moll bzw. As-Moll und B-Dur bezogen auf Es-Dur/Moll.)

Dritte Schicht (dritte Zeile): Eine der beiden Parallelen – diejenige zwischen dem Baß und dem zweiten Alt (als eine der Mittelstimmen der rechten Hand) – umgeht Chopin, indem er die Quinte von C7, das g, nicht »regulär« chromatisch ins ges weiterführt, sondern in den Ton es springt, der zusammen mit dem Sopran eine Oktave einschließt. Auch deren Fortführung bildet nunmehr keine Parallele, da der Sopran zwar abwärts, der zweite Alt aber aufwärts geführt wird. (Letztere Stimme ist damit wieder bei jener Tonhöhe angelangt, die sie bei einer »regulären« chromatischen Führung ebenfalls erreicht hätte: g-ges-f statt g-es-f.) Durch diese Stimmführung mit ihrer Vermeidung einer Oktavparallele entsteht zugleich der bereits erwähnte Einschub eines Dreiklanges inmitten der Septakkordfolge. Ferner wird die »verbotene« Verdoppelung der Septe es des F7-Akkordes gemildert durch den Umstand, daß nicht beide Töne – wie erwähnt – in dieselbe Richtung führen, dies aber erst dann erfolgt, wenn diese Töne nicht mehr richtungsgebundene Septen eines Dreiklangs sind40

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Der Umstand, daß Dominantsepten bzw. -terzen in ihrer Lösungsrichtung gebunden sind, mithin notwendigerweise Oktavparallelen erzeugten, gilt gemeinhin als Begründung für das Verdoppelungsverbot.
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So elegant eine Erklärung der tatsächlichen Stimmstruktur auf der Basis einer Vermeidungsstrategie verbotener Parallelen erscheint, so hat sie doch einige Schönheitsfehler: der gewichtigste Einwand ist jener, der darauf hinweist, daß


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