- 267 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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ja geschehend) tendieren. Da ist zunächst die äußerst auffällige Änderung der Figuration in Takt 25/2634
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Vgl. dazu Kinzler, a. a. O. [s. Anm. 15], S. 17, und ders., Frédéric Chopin. Über den Zusammenhang von Satztechnik und Klavierspiel, München u. Salzburg: Katzbichler 1977 (= Freiburger Schriften zur Musikwissenschaft; Bd. 9), S. 38 f.
: Diese aber ist gerade keine der freien Wahl, sie resultiert vielmehr aus der Ambitusüberschreitung der regulären Form, deren höchster Ton ein g4 wäre (Chopin jedoch respektierte zur Zeit der Komposition die Obergrenze f 4 der meisten damaligen Instrumente35
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Jedoch: diese Art der Figuration, die zunächst als bloßer Behelf erschien, antizipiert die ebenfalls geänderte Figuration der Coda ab Takt 69 und war womöglich in der Werkgenese auslösend für deren Gestaltung; dies wäre zu bedenken, falls für Aufführung auf modernen Flügeln in Takt 25/26 eine rektifizierte Fassung in Auge gefaßt würde (vgl. dazu Kinzler, Frédéric Chopin ..., a. a. O. [s. Anm. 34], S. 40).
). Die zweite Änderung hingegen, die Einführung eines Quart- und eines Nonenvorhaltes in Takt 2636
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In der Abschrift der Urfassung ist der Nonenvorhalt noch nicht enthalten, lediglich der Quartvorhalt von der 3. zur 4. Zählzeit. Vgl. Chopin in der Heimat. Urkunden und Andenken, gesammelt und bearbeitet von Krystyna Kobylanska. Mit einem Vorwort von Jaroslaw Iwaszkiewicz, Kraków: Polskie Wydawnictwo Muzyczne 1955 [= Chopin w kraju. Dokumenty i pamiatki, Kraków: PWM 1955 dt.], S. 265.
, ist frei gewählt. Ebenso eine weitere Änderung: Waren in Takt 17 ff. jeweils die einzelnen harmonischen Funktionen der Sequenz auf die Dauer jeweils eines Taktes beschränkt37
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Takt 21 (zusammen mit Takt 22) kann im Hinblick auf den harmonischen Rhythmus sowohl als ein einzelner Doppeltakt als auch als zwei einzelne Takte mit unterschiedlichen harmonischen Funktionen aufgefaßt werden.
(im Unterschied zu den Taktpaaren der Eröffnungsperiode), so ist das Folgende ein Doppeltakt (Takt 27/28), nämlich ein G-Dur-Septakkord mit einem eintaktigen Quartvorhalt. Es findet somit eine Verlangsamung des harmonischen Rhythmus38
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Zu diesem Begriff vgl. Martin Just, Harmonischer Rhythmus, in: Die Musikforschung, 29. Jg. (1976), H. 1, S. 7–20; speziell zu Opus 10, Nr. 1, S. 16–19.
statt. Ebenso ist beim folgenden Akkordpaar der Quintfallsequenz der harmonische Rhythmus verbreitert: die regulären Akkorde C7 und F7 sind um jeweils zwei Takte erweitert, und zwar in – wiederum variierend – einer vom Vorhergehenden abweichenden Weise. Zwischen C7 und F7 (Takt 29 bzw. 31) ist ein vermindert-kleiner Septakkord mit dem Grundton C (d. h. die Töne c, es, ges und b umfassend) und dem Baßton Ges eingeschaltet, analog dazu zwischen F7 und B7 ein Akkord mit den Tönen as, ces und es. (Takt 30 ist, wie gesagt, ein Vierklang, nicht jedoch Takt 32: er ist bloßer Dreiklang.) Beide Einschübe können analog zu Takt 26 auch als Doppelvorhalte des jeweils folgenden Akkordes gesehen werden. Ein interessanter Unterschied der Takte 29/30 und 31/32 zu Takt 27/28 besteht darin, daß zunächst sich die Vorhaltsbildungen in Übereinstimmung mit der weitgehend im Stück durchgehaltenen regelmäßigen Abfolge von schweren und leichten Takten befinden, dieses Verhältnis im Hinblick auf die harmonische Spannung umgekehrt wird (um in Takt 33/34 und 35/36 sich wieder zu normalisieren). Die Abfolge »schwer-leicht« verläuft überdies parallel zu jener Spannungskurve, die durch die Auf- und Abwärtsführung der Figuren der rechten Hand erzeugt wird.


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