Die Illustration wurde auch für das Titel- und Umschlagbild verwendet. Demnach hat
der Verleger das Lied von Sabine offensichtlich als werbewirksamer als die anderen
enthaltenen Lieder eingeschätzt. Für alle Bänkelsängerlieder hat er eine einzige Melodie
beigegeben, die der heute bekannten ebenso wenig ähnelt, wie der holprige
Text.
Undatiert, jedenfalls vor 1912, erschien Sabinchen zum ersten Mal mit
Melodie in: Singsang zu Drehorgel und Zupfgeige, hg. von F. H. Brandt in
Marburg3
Singsang zu Drehorgel und Zupfgeige. Studenten-, Volks-, Soldaten- und Anstichlieder, hg.
von F. H. Brandt, 3. erheblich vermehrte und mit Singweisen versehene Aufl. Marburg: Elwert
[vor 1912]. – Die 4. datierte Aufl. des Singsangs erschien 1912.
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Die Titelillustration zeigt einen farbentragenden Studenten, der auf einer typischen
Wandervogellaute spielt und dazu singt. Diese neunstrophige Fassung ist – mit
verschiedenen Varianten – bis auf den heutigen Tag in Deutschland populär
geblieben. Wie in der ausführlicheren Schilderung aus den
Musenklängen wird das
verliebte Dienstmädchen Sabine zuerst gnadenlos von dem Schuhmacher aus
Treuenbrietzen ausgenommen: Er vertut all ihr gespartes Geld und verlangt
dann noch mehr von ihr, nötigt sie zum Diebstahl oder bestiehlt selbst die
Dienstherrschaft der armen Sabine, und sie verliert seinetwegen ihre Stelle. In
ihrer Verzweiflung beschimpft sie ihren nichtsnutzigen Liebhaber und wird
von diesem im Jähzorn ermordet. Die Schilderung benutzt zum größten Teil
die gleichen Worte wie die 15strophige Fassung aus den
Musenklängen, um
die Mordtat zu schildern. Die absichtsvoll unbeholfene Ausdrucksweise: »Das
Blut tät haushoch spritzen wohl in dem Zimmer herum,/ der falsche Schuster
aus Treuenbrietzen, der stand um sie herum« sorgt dafür, daß die grausige
Mordtat den Zuhörern eher komisch erscheint. In Wandervogelkreisen und in der
Arbeiterjugend hat sich das Lied in den folgenden Jahren rasch verbreitet und ist seit
den 20er Jahren auch häufig in Liederbüchern zu finden, besonders in solchen
zum geselligen Singen. In verschiedenen Ausgaben des Jugendliederbuchs des
Arbeiterjugendverlages Berlin findet es sich mit der Angabe: Friedrich Rückert
1830
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Jugendliederbuch, zusammengestellt
von August Albrecht, 6. Aufl. Berlin: Arbeiterjugend-Verlag 1924, S. 123 f. Dieselbe Angabe
auch in: Jugendliederbuch, zusammengestellt von August Albrecht, 400.–450. Tsd. Berlin:
Arbeiterjugend-Verlag 1928, S. 119 f. und in 451.–500. Tsd. Berlin 1929, S. 138 f. – jeweils
im Kapitel: »Schnurren und Wechselgesänge«.
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Für die Richtigkeit dieser Angabe konnte ich keinen Beleg finden. Es gibt keine
Buchpublikation Rückerts aus diesem Jahr. Das Schicksal Sabinchens dürfte auch
deswegen eher Erheiterung als Betroffenheit hervorgerufen haben, weil der Stand des
Dienstmädchens in Arbeiterkreisen als rückständig galt, Sabinchen selbst wird als ältere
Frau – »spätes Mädchen« – angesehen, die sich in einen jüngeren Mann verliebt und vor
lauter Verliebtheit nicht in der Lage ist den schlechten Charakter ihres Liebhabers zu
erkennen. Vor der »Moritat« betitelten Geschichte Sabinchens ist das Volkslied »der Tod
von Basel« abgedruckt, in den es ebenfalls um eine unglückliche Beziehung
einer älteren Frau zu einem jüngeren Mann geht, die mit dem Tod der Frau
endet.