Ich verzichte darauf, ein letztes Forschungsgebiet von Sabine Giesbrecht
zu behandeln: Musik in Preußen. Es hat sich schon in der Geschichte
der populären Musik 1987 mit den Marschkompositionen Richard
Eilenbergs
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Sabine Schutte, Für Gott, Kaiser und Vaterland! Über Marschkompositionen Richard
Eilenbergs, in: Ich will aber gerade vom Leben singen, a. a. O. (siehe Anm. 9), S. 187–212.
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und
1999 mit einem Artikel über gründerzeitliche Festkultur am Beispiel der Bismarck-Hymne von Carl
Reinthaler
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Sabine Giesbrecht-Schutte, Gründerzeitliche Festkultur – die Bismarckhymne von Carl
Reinthaler und ihre Beziehung zum Triumphlied von Johannes Brahms, in: Die
Musikforschung, 52. Jg. (1999), S. 70–88.
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angekündigt und sich seither, vor allem mit der Edition der Lebenserinnerungen
Friedrich Wilhelm von Rederns, weiterentwickelt. Es ist beruhigend, dass hier nicht ein
abgeschlossenes wissenschaftliches Lebenswerk zu würdigen ist, sondern dass wir auf eine
Fortsetzung hoffen dürfen. Ich stelle fest, dass es in diesem Sommersemester, dem
ersten, das Sabine Giesbrecht im so genannten Ruhestand verbringt, besonders
schwierig ist, Termine mit ihr zu machen, und das ist diesbezüglich ein gutes
Zeichen.
Liebe Sabine, ich kann nicht verhehlen, dass ich die Verabschiedung einer so profilierten
Kollegin wie Dir nicht nur bedaure, sondern dass sie mir auch Sorgen macht. Ich
gestatte mir, hier nicht nur für die Osnabrücker Kollegen, sondern generell für die
Musiklehrerausbildung zu sprechen, weil ich mich sozusagen am jüngeren Rand der
ausscheidenden Altersgruppe befinde und in den nächsten Jahren eine ganze Reihe von
Berufungskommissionen auf mich wartet. Werden wir Nachfolger und Nachfolgerinnen
finden, die beispielsweise in Deine Funktionen nachrücken können, und die sich nach
einer anspruchsvollen wissenschaftlichen Ausbildung einen so weiten thematischen und
methodischen Horizont erarbeitet haben? Werden sie in der Lage sein, eine genaue
Kenntnis von Musikgeschichte oder von »vielen Geschichten«, wie Du einmal formuliert
hast53
Sabine Giesbrecht-Schutte, Musik in Geschichte und Unterricht, a. a. O. (s. Anm. 47), S. 46.
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, zu
verbinden mit den Bedürfnissen der Musiklehrerausbildung, das heißt mit den Interessen
und Zugangsmöglichkeiten Jugendlicher? Werden wir Kolleginnen und Kollegen finden,
die bei aller Differenziertheit und Genauigkeit des analytischen Blicks die Musik, um die
es geht, mögen und die unbefangen und respektvoll auch von ihrer »Schönheit«
sprechen
54 ?
Wird sich ein Mensch finden, der wie Du neugierig auf andere ist, der zuhören kann, der
auch einen Blick für die persönlichen Nöte und Bedürfnisse anderer hat? Wird die
Berufungskommission, die über Deine Nachfolge entscheidet, überhaupt einen einzigen
Bewerber haben, der ein wissenschaftliches Studium mit einer anspruchsvollen
pianistischen Ausbildung verbunden hat und in der Lage war, auch hier den Schritt in
die musikpädagogische Praxis zu tun und ein Lehrwerk für Klavierbegleitung und
Improvisation
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Sabine Schutte, Vom Lied zum Blues. Klavierbegleitung und Improvisation für Anfänger,
Kassel usw. 1985.
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vorzulegen?
Es sind leider, wie wir wissen, zum Teil rhetorische Fragen, weil der wissenschaftliche
Nachwuchs dazu nicht nur einen sehr langen Atem benötigen würde,