Weggeschossen, weggesprengt werden durch die Gewalt des Sektkorkenöffnungsschusses,
leicht identifizierbar mit folkloristischen Elementen auf der linken Seite (vom
Betrachter her) »der« Russe, rechts »der« Franzose. (»Jeder Schuß ein Ruß’, jeder
Stoß ein Franzos . . . « heißt es im zurecht seiner Brutalität wegen nachhaltig
berühmt-berüchtigten Gedicht der Zeit von Ernst Lissauer.) Der Schnurrbart des
Franzosen folgt noch der Manier des verwichenen Napoleon III.; ob die Hakennase auf
diesen oder, antisemitisch, auf »den« Juden verweist, muß offenbleiben. Ebenso
die Frage, wer genau mit dem in der Mitte gemeint ist: vorstehende Zähne
und schmaler langer Schnurrbart nach oben verweisen auf Japaner, obwohl
eigentlich ein Engländer hier als europäischer Hauptfeind auftreten müßte. Die
feindlichen Fremden taumeln, während die Waffenbrüder fest auf dem Boden
stehen – wenn auch, wie sich in der Realität rasch zeigte, nicht auf dem der
Tatsachen.
Phallische Konnotationen hat bereits die Gestaltung des Sektkorkens und geradezu
überdeutlich der ejakulative Erguß nach der Öffnung der Flasche. Daß es
martialisch-humoristisch »Deutscher Sekt Marke Brummer« heißt, zeugt von jenem
dominant männlichen Stammtisch-Humor, den Karl Kraus als »Hamur« zu Recht haßte.
Seine analen Akzente – und damit im Wortsinn natürlich auch klanglichen –
Komponenten sind hier unüberhörbar. Im aufspritzenden Schaum heißt es: »So schiessen
wir im neuen / Jahr! Viktoria!«; letzteres heute als Name so altmodisch wie das Wort –
wenn schon, würde es »Victory« heißen.
Der Soundtrack ist trotz der begrenzten Kunst des Graphikers bildkräftig in Szene
gesetzt. Wir hören förmlich die Explosion. Sie wird durch die vielen weißen
Streifen bzw. besser Pfeile nach oben – eine nicht-naturalistische Abbildung der
Sektflaschenöffnung – noch verstärkt. Und wir hören mindestens zwei der drei
ausländischen, fremden Opfer des Schießens schreien, panisch zumal der Mittlere,
während der Franzose nur entsetzt zu schauen scheint. Österreicher und Deutscher
dagegen reden, lächelnd öffnen sie den Mund – vermutlich kommt eine Floskel
heraus.
Hilflos, naiv, wenig sorgsam auf die Korrelation von Anlaß, Text und Bild bedacht ist
der Schreibtext, per Stempel datiert auf den 1. 1. 1915, der zur Kategorie des
Ausgerechnet! zählt: ». . . Ich bedaure sehr über den Verlust ihres Bruder. Ich konduliere
noch nachträglich.« Es heißt im Buch wirklich so, und das schwer vermeidliche
dreimalige Sic! muß sich angesichts der sonstigen Sorgfalt des Herausgebers auf den
Schreiber (keine Schreiberin; ich setze das wegen des ganzen Kontexts voraus)
beziehen.
Coole Zur-Kenntnisnahme von »Kollateralschäden« (einschließlich des Mangels an
Vermittlung von sprachlicher wie Herzensbildung zugunsten von Rüstungsausgaben)
oder Siegesgebrüll in den Mündern und Medien der Mächtigen, der Herrschenden wie
der Regierenden, der Unternehmer wie der Militärs sowie der Präsidenten,
Kanzler, »Verteidigungsminister«, wie sie in manchen Staaten