- 162 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Musik und Leben 
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Funktionsfähigkeit nach zweifelhaften Typs. Offen bleibt, ob der Feldgraue damit die Rosen oder nur Böller verschießen will. Es wird jedenfalls knallen. Wie auch sonst öfter, wird der sowieso nur imaginär-reale Klang hier noch als bloß futurischer zusätzlich gedämpft, bleibt aber dennoch wahrnehmbar. Bekanntlich waren die Geräusche der Materialschlachten Musik in den Ohren der italienischen Futuristen.

Glöckchen und Glocken

»Fröhliche Ostern« wünscht eine Wiener Künstlerkarte um 1900 (Chromolithographie mit Reliefprägung, Abb. 4). Bei einer braun-gelben Brezel (ein Typ ohne Salz) sind die Zwischenräume durch zwei rote Eier ausgefüllt. Im Hintergrund, jugendstilmäßig verschnörkelt wie die Schrift, bimmeln Glocken, als drei filigrane Glöckchen an langen Schnüren. Deren Linienführung ergibt wieder etwas Musikalisches, nämlich den G- bzw. Violinschlüssel – ein hübscher Einfall; die damit vorstellbare Klanglichkeit, etwa Geige plus Glockenspiel, dürfte apart sein.

»Fröhliche Weihnachten« lautet der lapidare Text einer nicht datierten, graphisch vor dem Jugendstil anzusiedelnden Chromolithographie (Abb. 44). Ein Knabe im festlich stilisierten Matrosenanzug mit Kniehose, das Mädchen in langem weißem Kleid, beide mit ausgebreiteten Armen – man weiß nicht recht, ob es wegen der Rutschgefahr auf den spiegelblanken Fliesen ist; sie scheinen jedenfalls Mühe zu haben, die Balance zu halten – eilen auf die Mutter zu, die ebenfalls die Arme ausgebreitet hat. Das Signal zu alldem gibt der Vater, der mit dem Glöckchen klingelt, das er vornehm zwischen Daumen und Zeigefinger hält. Die ganze Szenerie ist sehr für sich gehalten; nur der Knabe blickt aus dem Bild heraus, aber wohl mehr wegen der Ungeschicklichkeit des Graphikers wegen als aus semantischen Gründen

Das Glockenmotiv ist bei einem Ostergruß von 1901 (Abb. 5) reduziert auf die Christrose, die ein noch ziemlich nikolausmäßig ummanteltes niedliches Mädchen, auf einem Osterhasen im Schneegestöber reitend, über dem Haupt schwingt – ein schwacher Klang, aber immerhin gemeint: im Hintergrund sehen wir überdies einen Kirchturm.

Machtvolle Klänge vermittelt dagegen eine Chromolithographie »Erinnerung an das erste Osterfest im neuen Jahrhundert« (Abb. 1; siehe Abbildung auf der gegenüberliegenden Seite). Die Karte, im Hochformat, zeigt einen Ausschnitt aus einem Glockenturm mit zwei schwingenden Glocken. Die vordere, groß im Bild, trägt die Aufschrift »Ostern 1900«; beide tragen Blumengirlanden. Ein (ungeflügelter) Putto, die unteren Teile von einem Rasenstück ohne Rasen mit Schlüsselblumen, Palmkätzchen und Veilchen elegant verdeckt, zieht energisch am Seil, ein zweiter, mit einer Blumengirlande umwickelt, wirft Blümchen.


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