- 71 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
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5 Berthold Litzmann, Clara Schumann. Ein Künstlerleben, Bd. 3: Clara Schumann und ihre Freunde 1856–1896, 8. Aufl. Leipzig 1925, Nachdruck Hildesheim 1971, S. 413.

Schmerzen und Beschwerden konnten sie nicht daran hindern, sich mit dem Nachlaß ihres Mannes zu befassen. Während einer vorübergehenden Besserung ihre Gesundheitszustandes bat sie am 9. Mai 1896 ihren Enkel, ihr etwas vorzuspielen und wünschte sich: „Spiele etwas vom Großvater“, worauf Ferdinand zunächst die Intermezzi op. 4, Nr. 4, 5 und 6 und später die Romanze Fis-Dur op. 28, Nr. 2 spielte. In den Erinnerungen des Enkels, der die Stücke nicht ohne Bangen, es könne seiner Großmutter schaden, vortrug, ist die Reaktion der sterbenskranken Frau nach dem Vortrag der Romanze nachzulesen: „Plötzlich sagte die Großmutter: ‚Es ist nun genug. Höre auf!‘“6
6 Zit. nach Beatrix Borchardt, Clara Schumann. Ihr Leben, Frankfurt a. M. u. Berlin 1994, S. 415.

Aus den gleichen Erinnerungen Ferdinands geht hervor, daß dieses die letzte bewußte Äußerung Clara Schumanns über Musik war. Sie erlitt am 10. Mai einen weiteren Schlaganfall und starb nach Krampfanfällen und zeitweiliger Bewußtlosigkeit am Morgen des 20. Mai 1896.


Folgt man dieser Darstellung, so erscheint die Fis-Dur-Romanze dadurch, daß sie das letzte Werk war, das Clara Schumann sich vorspielen ließ, irgendwie bedeutungsvoll. Insbesondere die an die Christusworte des Neuen Testamentes erinnernde Formulierung „Es ist nun genug“ läßt aufhorchen. In den Standard-Biographien ist diese Szenerie ausdrücklich erwähnt.7

7 Nancy Reich, Clara Schumann. Romantik als Schicksal, Reinbek bei Hamburg 1993, S. 239. Auch: Berthold Litzmann, Bd. 3, a. a. O. (s. Anm. 5), S. 610.

Wenn auch dieser Sachverhalt allein noch keine überzeugenden Schlußfolgerungen – etwa über einen geheimen, nur ihr verständlichen Inhalt dieses Stückes – erlaubt, so bestätigt der Bericht des Enkels zumindest, was aus anderen Quellen bereits bekannt ist, daß sie nämlich im Alter von Erinnerungen an ihren früh verstorbenen Ehemann geradezu überfallen wurde und sie sich – stärker als in früheren Zeiten – mit seinem Lebenskonzept eins wußte.

Die Herausgabe der Werke Schumanns hatte sie aus verschiedenen Gründen sehr beschäftigt und ihre eigene Rolle dabei wieder aufleben lassen. Sie wußte, daß Robert der Auffassung war, alle größeren Klavierwerke seien durch sie inspiriert, das hatte er seinerzeit seinem Lehrer Heinrich Dorn geschrieben.8

8 Reich, a. a. O., S. 295.

Das Bündnis mit ihm lebte jedoch besonders in dem umfangreichen Briefwechsel wieder auf, zu dessen Edition sie sich entschlossen hatte. Schon 1874 war ihr die Idee dazu gekommen, sie begann aber erst über zehn Jahre später damit, die Jugendbriefe für den Druck vorzubereiten.9
9 A. a. O. (s. Anm. 7), S. 342.

Zwei Jahre vor ihrem Tode betonte sie in den Tagebuch-Notizen des Jahres 1894, wie sehr die Lektüre der Briefe Roberts sie in ihre Jugendzeit entrückt und angegriffen hat:


Ich dictire jetzt täglich aus Roberts Briefen an mich, die mich ganz entzücken, freilich aber auch sehr wehmütig stimmen. Welch eine Phantasie, welcher Geist, welch zartes Empfinden


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