- 318 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
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Der vorliegende Klaviersatz73

73 Deutsche Musik in der Höheren Schule, s. Anm. 36, S. 8.

mit seinen pompösen Stampf-Bässen, Akkord-Ladungen und Forte-fortissimo-Steigerungen unterstreicht die drastische Text­aussage („Läutet, daß blutig die Seile sich röten“; „rasen im Donner der Rache“ usw.). Auch so manche Schulfeier wurde durch Absingen dieses Liedes zum Höhepunkt geführt (wie ich selbst es erlebt habe), und die ebenso einprägsamen wie penetranten Wiederholungen des Kampfrufes „Deutschland, erwache!“ erzielten Wirkung.


Der für den Inhalt des Schulliederbuches mitverantwortliche Mitherausgeber Robert Göttsching behauptete Jahrzehnte später im Gespräch mit Matthias Kruse, ihm sei kein antisemitisches Lied bekannt und über Antisemitismus sei im Herausgeberkreis nie diskutiert worden. ... Er äußerte laut Kruse: „Ich kann mich nicht an ein antisemitisches Lied erinnern. ... In der Masse der Bevölkerung gab es keinen Antisemitismus. ... Da waren die Partei, die Spitze und die Funktionäre.“74

74 Kruse 1992, S. 281 f.

Göttsching gab vor, nicht mehr zu wissen, was er selbst in sein Liederbuch aufgenommen hatte.


Solche Erinnerungsverluste oder wohl besser Verdrängungen findet man häufig.

Dabei war das Lied recht populär. Es taucht (einstimmig) in vielen Liederbüchern jener Zeit auf, so im Bremer Liederbuch (1937), in Nimmer zurück! Vorwärts den Blick! oder in Kein schöner Land. Ebenso ist es in manchem Lesebuch zu finden, etwa noch 1942 im Deutschen Lesewerk für Mittelschulen.75

75 Bremer Liederbuch, s. Anm. 38; Nimmer zurück!..., s. Anm. 68; Kein schöner Land. Musikbuch für höhere Mädchenschulen, hg. v. Adolf Strube, 1. Band, Leipzig: Merseburger 1940; H. Dreyer, R. Fiedler u. P. Skriewe (Hg.), Deutsches Lesewerk für Mittelschulen, Gedichtband, Kl. 3–6, S. 237, Frankfurt a. M. 1942; zit. nach Platner 1983, S. 265.


Die Nationalsozialisten haben so manches Lied aus dem sozialistischen Repertoire adaptiert und durch oft nur geringe Umdichtung für sich in Anspruch genommen.76

76 Bormann 1976, S. 266 f., Dithmar 1999, S. 25 ff., Broderick/Klein 1999, S. 83.

Das hatte den Vorteil, daß die Melodien schon recht bekannt waren und nicht extra eingeübt werden mußten. Auch war die verbale Schnittmenge erheblich, bekannten sich doch auch Sozialisten und Kommunisten zu Zielen wie „Überwindung von Knechtschaft“, „Freiheit und Brot für alle“ usw., nur daß diese bei ihnen von anderen Inhalten bestimmt waren und allein schon durch ihre Internationalität konträr standen zur NS-Ideologie.


Zu diesen „umfunktionierten“ Liedern gehörte das weitverbreitete und in viele Schulliederbücher aufgenommene Brüder in Zechen und Gruben, das hier in der Fassung von Georg Blumensaat vorliegt.77

77 Lied über Deutschland. Gesammelt v. Georg Blumensaat, 5. Aufl., Potsdam: Voggenreiter 1941.




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