- 182 -Kinzler, Hartmuth (Hrsg.): Vermittelte Musik 
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4. Zur palliativen und sinnvermittelnden Funktion von Musik und Tanz


In konfliktträchtigen Situationen zeigen sich die innere Einstellung und die persönlichkeitsspezifischen Verhaltensweisen deutlicher und unkontrollierter als in sonstigen Lebenssituationen. Geeignete Musik und geeignetes Musizieren vermögen den Zustand des Betroffenen durchaus zu lindern. Ein musikpsychologisch versierter Musiker/Musikgelehrter, der also um die immanente Botschaft und Bedeutung eines Musikwerkes weiß und seine Interpretation danach auszurichten versteht, braucht nähere Kenntnis möglicher Reaktionsweisen, um ermessen zu können, welche Art des Musizierens im konkreten Fall geeignet erscheint. Hierzu sei ein stichwortartiger Überblick über die geistesgeschichtliche Auffassung des Sinns vom Leben gegeben (s. Nassehi/Weber 1989; Gerbert 1999).

Glücksforschung – Auffassungen vom Sinn des Lebens


1. Mythisches Verständnis: Der Mensch ist Teil der Natur und ihres Zyklus von Werden und Vergehen und unreflektiert und blind der Überlieferung und seiner Gemeinschaft verhaftet. Nihil novi sub sole.


2. Wende zum Logos: In einer sich differenzierenden Gesellschaft denkt der Einzelne zunehmend eigenständig und gewinnt dadurch Distanz zum Kollektiv. Er unterscheidet zwischen Subjekt und Objekt. Das Vergängliche lebt aus dem unwandelbar Ewigen.

a) Platon (428–347 v. Chr.): Ideen = Geist. Tod ist die Trennung von Leib und Geist. Lernen heißt Wiederkennen. Die Seele ist schließlich unsterblich. Die Zeit wird linear verstanden.

b) Aristoteles (384–322 v. Chr.) unterscheidet zwischen Materie und Form (= vegetative oder Pflanzenseele, Sinnes- oder Tierseele, menschliche Geistseele); verlangt eine Entscheidung für Vita activa oder contemplativa.

c) Epikur (341–271 v. Chr.): Tod = totales Ende, physikalischer, materialistischer Mechanismus (ataraxia). Sinn des Lebens: Seelenfrieden und Kontemplation. Wie Aristippos (435–366 v. Chr.) Vertreter des Hedonismus.

d) Stoiker (Zenon, ca. 333–262 v. Chr., und Epiktet, 50–130 n. Chr.) vertreten die Apathie (Unempfindlichkeit).


3. Wende zur anthropozentrischen Theonomie: In der jüdisch-christlischen Religion erhält der Mensch eine Sonderstellung, wenngleich noch in Grenzen, da der Tod an Jahwe rückgekoppelt und unverstehbar ist. Eschatologischer Zeitbegriff: Anfangs- und Endpunkt der Zeitlinie ist Gott. In ihr gewinnen menschliche Taten, zunächst als auserwähltes Volk, später als Einzelpersonen (Propheten) auf dem Weg des göttlichen Heilsplans Bedeutung und Erinnerungswert.


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