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  1. Schließlich können Sie die Szene in der Klasse nachspielen, bei gleichzeitigem Erklingen der Musik. Stellen Sie vorher Überlegungen zum Verlauf an, quasi als Regieanweisungen. Wenn Sie Freude an dieser Arbeit haben und sich intensiver damit beschäftigen wollen, können Sie genaue Anweisung in den Klavierauszug eintragen. Diesen können Sie in öffentlichen Musikbibliotheken oder bei einem befreundeten Musiker leicht ausleihen.

  2. Überlegen Sie, wann und warum Sie persönlich Begeisterung für einen Künstler zeigen.



2.4 Ortrud und Elsa: Wagners Frauenbild


Ortrud ist ein Weib, das – die Liebe nicht kennt. Hiermit ist Alles, und zwar das Furchtbarste, gesagt. Ihr Wesen ist Politik. Ein politischer Mann ist widerlich, ein politisches Weib aber grauenhaft: diese Grauenhaftigkeit hatte ich darzustellen. Es ist eine Liebe in diesem Weibe, die Liebe zur Vergangenheit, zu untergegangenen Geschlechtern, die entsetzlich wahnsinnige Liebe des Ahnenstolzes, die sich nur als Haß gegen alles Lebende, wirklich Existierende äußern kann. Beim Manne wird solche Liebe lächerlich, bei dem Weibe aber furchtbar, weil das Weib, – bei seinem natürlichen starken Liebesbedürfnisse – etwas lieben muß, und der Ahnenstolz, der Hang am Vergangenen, somit zum mörderischen Fanatismus wird. Wir kennen in der Geschichte keine grausameren Erscheinungen, als politische Frauen. [...] Sie ist eine Reaktionärin, eine nur auf das Alte bedachte und deshalb allem Neuen Feindgesinnte, und zwar im wüthendsten Sinne des Wortes: sie möchte die Welt und die Natur ausrotten, nur um ihren vermoderten Göttern wieder Leben zu schaffen.8

8 Brief Wagners an Franz Liszt vom 30. Januar 1852, zit. nach: Richard Wagner: Lohengrin. Texte, Materialien, Kommentare, hg. von Attila Csampai und Dietmar Holland, Reinbek bei Hamburg 1989, S. 160, kursiv im Original.

Diesem Brief Wagners an Liszt lassen sich Äußerungen über sein Frauenbild entnehmen. Seine Auffassung auch zu diesem Thema enthält er uns in seiner Oper nicht vor. Genaueres dazu teilt er in seiner Schrift Eine Mittheilung an meine Freunde von 1851 mit. Um seine Gedanken nachvollziehen zu können, müssen wir uns abermals auf seine gewundene – für unser Verständnis fast unerträglich geschwollene – Ausdrucksweise einlassen:


Lohengrin suchte das Weib, das an ihn glaubte; das nicht früge, wer er sei und woher er komme, sondern ihn liebte, wie er sei, und weil er so sei, wie er ihm erschiene. Er suchte das Weib, dem er sich nicht zu erklären, nicht zu rechtfertigen habe, sondern das ihn unbedingt liebe. Er mußte deßhalb seine höhere Natur verbergen, denn gerade eben in der Nichtaufdeckung dieses höheren – oder richtiger gesagt: erhöhten – Wesens konnte ihm die einzige Gewähr liegen, daß er nicht um dieses Wesens willen nur bewundert und angestaunt, oder ihm – als einem Unverstandenen – anbetungsvoll demüthig gehuldigt würde, wo es ihm eben nicht nach Bewunderung und Anbetung, sondern nach dem Einzigen, was ihn aus seiner Einsamkeit erlösen, seine Sehnsucht stillen konnte, – nach Liebe, nach Geliebtsein, nach Verstandensein durch die Liebe, verlangte. Mit seinem höchsten Sinnen, mit seinem wissendsten Bewußtsein, wollte er nichts anderes werden und sein,


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