- 65 -Kim, Jin Hyun: Musikwissenschaft in der Postmoderne 
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Notation, die eine geistige Schöpfung voraussetzt, zu realisieren.6
6
Vgl. ebd., S. 18.
Damit hebt sie das musikalische Objekt an die Stelle der Musiknote hervor.7
7
Ebd., S. 20.
Dies führt zu einem Delegitimationsprozess der abendländischen Kunstmusik, da sie im Zuge der Verschriftlichung von Kultur, bzw. Buch- oder Notendruck ihre Legitimation gefunden hat. Durch die Verschriftlichung bzw. Fixierung des Kulturguts fungiert die europäische Tonkunst als ein Kriterium, verschiedene Musikphänomene zu überprüfen und zu beurteilen. Durch eine neue Möglichkeit der Aufzeichnung und Fixierung der musikalischen Phänomene, die aber im Rahmen der europäischen E-Musik entstanden ist, verliert die abendländische Kunstmusik ihre Legitimationskraft. Der Delegitimationsprozess in den Musikphänomenen, der in Verbindung mit einer neuen Erfindung des Begriffs »Musik« bei Cage eröffnet wurde, entfaltet sich nun im Zuge der technischen Entwicklungen der musikalischen Medien.

Der etwa 1960 gegen den strengen Serialismus entstandene, als »Minimal Music« bezeichnete Stil, der durch ein auf wenige Elemente reduziertes Material, gleichförmige Abläufe wie etwa permanentes Wiederholen kurzer Passagen und additives Überlagern gekennzeichnet ist, hat seine Wurzeln zum einem in der außereuropäischen Musik, zum anderen in der Elektronischen Musik. Die Minimal Music, die von Terry Riley, Phillip Glass und Steve Reich ausgeprägt worden ist, löst den zentrale Begriff der traditionellen abendländischen Musik, nämlich denjenigen der Entwicklung auf. Die Minimal Music akzentuiert die Prozessualität der Musik im Zuge der Aufführung, während sie bei Cage nur beim Akt des Komponierens berücksichtigt wurde.8

8
Vgl. Reich, S., Musik als gradueller Prozeß, in: Danuser, H. / Kämper, D. / Terse, P. (Hrsg.), Amerikanische Musik seit Charles Ives, Laaber: Laaber, 1993, S. 289.
Es handelt sich um einen »extrem grauduell[en]« musikalischen Prozess, der eine erhöhte Aufmerksamkeit des Zuhörers erweckt.9
9
Ebd.
Beim Hören der sich dauernd wiederholenden Minimal Music wird der Tonhöhenverlauf nicht als Melodie, sondern vielmehr als Rhythmus wahrgenommen. Die Funktion der Harmonie verschwindet aufgrund der Horizontalität der Minimal Music. Dieser Stil fordert keinen hörenden Mitvollzug musikalischer Form,10
10
Danuser, H., Neue Musik, in: Finscher, L. (Hrsg.), Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Sachteil 7, 2. neubearbeitete Aufl. 1997, Sp. 108.
welcher beim Hören von Werken der klassisch-romantischen Tradition und der im Formbegriff daran anschließenden Neuen Musik eine Voraussetzung bildet. Die Minimal Music bindet das Hören an das hic et nunc des klingenden Augenblicks in einem kontinuierlichen, auf lange Dauer angelegten Klangstrom.11
11
Ebd.
Damit zielt die Minimal Music auf die Hingabe des Zuhörers an den musikalischen Prozess, der eine Lenkung der Aufmerksamkeit weg vom Er, Sie, Du und Ich hinaus zum Es ermöglicht.12
12
Reich, S., Musik als gradueller Prozeß, a. a. O., S. 290.

Die Möglichkeiten der Minimal Music werden durch die Bearbeitung des Tonbandes und des Sequenzers gefunden. Beispielsweise ist die Phase Music Steve Reichs wie »Come Out« oder »Melodica« ein Ergebnis der »graduellen« Phasenverschiebung durch die unterschiedliche Wiedergabegeschwindigkeit von zwei verschiedenen Tonbandgeräten.13

13
Vgl., Lovisa, F. R., Minimal-music. Entwicklung. Komponisten. Werke, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1996, S. 67–68.
Die Entwicklung des Sequenzers bietet die geringfügige Änderung

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