die Gemeinschaftsmusik Hanns Eislers. Sie ist ein mit dem Namen
»Gebrauchsmusik« belegter Typ, der die Entfremdung von sich aus und real
zu durchbrechen
trachtet.45
Die moderne Musik Schönbergs wird dabei als die fortschrittlichste dieser
Gestaltungsweisen angesehen und bildet somit ein markantes Beispiel für die
Autonomie, die von allgemeinverbindlichen, kompositorischen Normen frei ist. Die
atonale Musik Schönbergs sei Ergebnis seiner Versuche, autonom gegenüber
Einflüssen und Forderungen von außen der »Tendenz des Materials« anzuvertrauen,
aufgrund deren sich die Tonalität geschichtsphilosophisch als veraltet und
funktionslos erweist. Allein der Kreis um Schönberg wird nach Adorno mithin
den gegenwärtigen objektiven Möglichkeiten des musikalischen Materials
gerecht.46
Adorno, T. W., Philosophie der neuen Musik, Gesammelte Schriften 12, Darmstadt:
Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1997, S. 122–123.
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Der Erkenntnischarakter der Musik kommt Adorno zufolge der neuen Musik Schönbergs
zu, da seine Musik mit der Tatsache konfrontiert wird, dass sie zur Realität steht, und die
Widersprüche der Welt dadurch spiegelt, dass sie die Widersprüche ihrer eigenen Materie
ausprägt.47
Seine Vorhergehensweise ist zwar innermusikalisch, aber das musikalische Material
seiner Musik ist Träger der menschlichen Geschichte und Kultur. Ausdruck und
Konstruktion sind in seiner Musik eng miteinander verflochten und bedingen sich
gegenseitig. So verzichtet die moderne Musik Schönbergs – so Adorno – auf jene
Identität von Gehalt und Erscheinung, in der die traditionelle Idee der Kunst
terminiert. Adorno sieht den kritischen Erkenntnischarakter somit in der ästhetischen
Form.
Im Akt der Erkenntnis, den Kunst vollzieht, vertritt ihre Form Kritik
am Widerspruch dadurch, daß sie auf die Möglichkeit seiner Versöhnung
weist und damit auf das Kontingente, Überwindbare, Nichtabsolute am
Widerspruch. Freilich wird damit die Form zugleich auch zu dem Moment,
in dem der Akt der Erkenntnis innehält. Als Verwirklichung des Möglichen
hat Kunst stets auch die Wirklichkeit des Widerspruchs verleugnet, auf
den sie sich bezog. Ihr Erkenntnischarakter wird aber in dem Augenblick
radikal, in dem sie sich nicht mehr dabei bescheidet. Das ist die Schwelle
der neuen Kunst. [...] Die neue Kunst läßt den Widerspruch stehen und
legt das kahle Urgestein ihrer Urteilskategorien – der Form – frei. Sie
wirft die Würde des Richters von sich und tritt in den Stand der Klage
zurück, die einzig von der Wirklichkeit versöhnt werden kann. Erst im
fragmentarischen, seiner selbst entäußerten Werk wird der kritische Gehalt
frei.48
Die Polarisierung der E- und U-Musik, die das Bewusstsein der ästhetischen Moderne an
der Wende vom 18. bis zum 19. Jahrhundert hervorgebracht hat, wird durch die Kritik
der Kulturindustrie von der Frankfurter Schule um Adorno als ein Theorem der
Dichotomie der E- und U-Musik fixiert. Diese Dichotomie der E- und U-Musik deutet
nach Adorno die nicht zu versöhnende Loslösung der E-Musik von der U-Musik an. Diese
Dichotomie, die von der Position der sich unter dem Slogan »Autonomie der Kunst«
herausgebildeten, ästhetischen Moderne ausgeht, gilt
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