- 48 -Kietz, Nicola: Musikverstehen und Sprachverstehen 
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Für den Geist, also die Gesamtheit der Strukturen und Prozesse, ergibt sich weiterhin die Frage, ob er ein ungegliedertes und unteilbares Ganzes ist, oder ob er aus einem Komplex selbständiger, funktionsspezifischer Subsysteme - sogenannten Modulen - besteht, die allerdings für komplexe Verhaltensformen wechselseitig miteinander in Beziehung treten können.
Zumindest in bezug auf die Strukturen sprachlichen Wissens hat sich in der neueren Forschung die Modularitätshypothese gegenüber dem holistischen Ansatz durchgesetzt. Vor allem Ergebnisse aus der Aphasieforschung sprechen dafür, ein eigenes mentales System für Sprache und autonome Sub-Module z.B. für Syntax und Semantik anzunehmen (s. Bierwisch/Kaden 1983, S. 198; s. auch Kap. 3.3.1). Strittig ist aber noch, ob auch die bei der Anwendung dieses Wissens in Aktion tretenden Prozesse nur bereichsspezifisch, also modular, arbeiten, oder ob sie Interaktion gestatten.

Das prozedurale Wissen ist allgemein noch am wenigsten erforscht.

Bezüglich des musikalischen Wissens wäre es nun ebenfalls von Interesse, wie seine Organisation aussieht. Bildet es wie das sprachliche Wissen ein autonomes System oder ist es abhängig von verschiedenen, nicht musikspezifischen Strukturen und Prozessen, die möglicherweise sogar aus dem sprachlichen Wissensbereich stammen? Auf diese Frage wird in den folgenden Kapiteln zurückzukommen sein.

3.2.2.2 Universalien

Ein weiterer wichtiger Diskussionspunkt in der Kognitionswissenschaft sind die Universalien. Der Begriff ist schon in anderem - rein strukturellem - Zusammenhang angeklungen (Kap. 2.2, s. Abb.4, S.15) und steht hier für die Annahme, daß viele mentale Repräsentationen interindividuellen, unveränderlichen und angeborenen Organisationsprinzipien unterliegen. Man kann sich das so vorstellen, daß eine Universalie eine genotypisch angelegte Matrix von wählbaren Organisationsmöglichkeiten ist, die dann im Verlauf der erfahrungsbedingten Entwicklung des mentalen Systems durch Festlegung der Variablen eine spezifische, phänotypische Ausprägung erfährt.


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