Zwei der bedeutendsten Entwicklungsabschnitte in der systematischen Sprachwissenschaft sind der Strukturalismus, der zu Anfang unseres Jahrhunderts durch den schweizerischen Linguisten Ferdinand de Saussure geprägt wurde, und die Ende der fünfziger Jahre aufgekommene generative Transformationsgrammatik. Letztere ist eng mit dem Namen des Amerikaners Noam Chomsky verknüpft. Sprachauffassung und -beschreibung dieser beiden Richtungen der Linguistik sollen im folgenden skizziert werden, vor allem soweit sie relevant sind für die in Kapitel 2.3.2 vorgestellte Möglichkeit der Übertragung auf die Musik. Die Sprachwissenschaft im 20. Jahrhundert sieht sich selbst als Spezialdisziplin der Semiotik und begreift somit Sprache als Zeichensystem, als Kommunikations- und Verständigungsmittel, das es in seiner inneren Struktur und in seiner Verwendung durch den Zeichenbenutzer zu untersuchen gilt. Man unterscheidet also in der Linguistik zwischen dem überindividuellen, abstrakten System von Zeichen (z.B. Wörtern) und Regeln, das de Saussure als langue bezeichnete, und der individuellen, konkreten Realisierung dieses Systems (= parole) in der Kommunikation. Die langue wird dabei unter synchronem Aspekt betrachtet, will heißen, als ein zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehender Zustand. Der diachrone Aspekt betrifft hingegen den Sprachwandel und wird von einer weiteren linguistischen Teildisziplin, der Historischen Sprachwissenschaft, untersucht.
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