- 106 -Kietz, Nicola: Musikverstehen und Sprachverstehen 
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letzterem die Vermittlung von Wissensinhalten im Vordergrund steht, würde die genannte Methode dazu beitragen, daß der Schüler auch ein prozedurales Wissen erwirbt, auf das er später in anderem Zusammenhang zurückgreifen kann, um neue Wissensinhalte zu erschließen. Wichtig ist also nicht nur der Erwerb von deklarativem Wissen, sondern der Schüler muß in die Lage versetzt werden, das "Lernen zu lernen". Aufgrund der Tatsache, daß es in einer Schulklasse mit dreißig Schülern beinahe ebensoviele Lerntypen geben kann, ist es sinnvoll,

"[...] die Schüler so früh wie möglich an[zu]leiten [...], ihren eigenen individuellen Lerntyp herauszufinden. Kurz, wir müssen das ganze Problem - wenn schon der Lehrer als aktiver Faktor ausscheidet - auf den Schüler abwälzen." (Vester 1991, S. 99)

In der Form eines offenen, handlungsorientierten Unterrichts,

Rauhe/Reinecke/Ribke (1975) haben diesen Ansatz auf die Musikdidaktik übertragen.

in dem die Schüler aus einem vielfältigen Angebot unterschiedlicher Zugangsweisen (gestisches bzw. bewegungsmäßiges Gestalten, Visualisieren, Verbalisieren, etc.) auswählen dürfen, liegt die Möglichkeit, jeden Schüler dort "abzuholen", wo er erfahrungsmäßig steht, und dabei kann dann u.a. sprachliches Handlungswissen für das Musikverstehen nutzbar gemacht werden und umgekehrt.

Der angesprochene Lerntransfer ist zwar immer noch nicht hinreichend psychologisch geklärt, doch gibt es vermehrt Hinweise darauf, daß einige Prozesse der kognitiven Verarbeitung für Musik und Sprache die gleichen sind (s. Kap. 3 und 4), während die Informationsgrundlage für die Prozesse - die deklarativen Wahrnehmungs- und Gedächtnisrepräsentationen - durchaus unterschiedlich ausgeprägt sein können. Anders ausgedrückt: Der für jedes Verstehen essentielle Vorgang der Erwartungsbildung funktioniert wahrscheinlich unabhängig von der Art der Erwartung, die dann entsteht. Einige Wissenschaftler vermuten aus diesem Grund einen übergeordneten kognitiven Organisationsmechanismus, der auch die Basis für musikalische und sprachliche Wahrnehmungsfähigkeiten bildet. Campbell/ Heller (1981) stellen dies folgendermaßen dar:

"We propose that both language and music stem from some more basic brain organizing capability and that each may satisfy the brains developmental need for imposing structure and meaning." (ebd., S. 5) (vgl. auch Kap. 4.4, S. 97/98)


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