- 410 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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es sich hierbei in jedem Fall um einen weitergehenden Prozeß handelt, von dem wir den ersten Beginn erleben.


Seltsamerweise tritt dies im allgemeinen nicht so klar ins Bewußtsein, wie es notwendig wäre. Meistenteils wird bei Betrachtungen dieser Dinge der gegenwärtige Zustand zugrunde gelegt; er wird dabei als etwas Definitives empfunden, als ein Endpunkt, über den es nicht hinausgehen könne. Wenn Diskussionen entbrennen über Schallplatte, Film, Rundfunk oder ähnliches, so wird kaum jemals mit dem Argument der sicher eintretenden Weiterführung der technischen Grundlagen gerechnet, sondern fast stets mit dem momentanen Zustand als einer gegebenen Größe. Jede Rechnung, die in dieser Weise aufgestellt wird, muß notwendigerweise verkehrt sein; denn eine variable Größe müßte in ihr, wenn man zu richtigen Resultaten kommen soll, auch in der angemessenen Weise als variabel eingesetzt sein. Das ist aber selten der Fall.


Da hat man zum Beispiel jahrelang immer und immer wieder über den Film diskutiert, das Problem wurde dabei von den verschiedensten Seiten her betrachtet — stets aber ging man von einer Voraussetzung aus, die zwar als selbstverständlich angenommen wurde, in Wirklichkeit aber völlig verkehrt war, nämlich: daß der Film in seiner jetzigen technisch bedingten Form immer weiter existieren würde. Dann kam plötzlich eine neue Phase der Technik: der Tonfilm, und warf mit einem Schlage und in allerkürzester Zeit, einem Tornado gleich, die Gerüste sämtlicher Spekulationen zusammen. Man hatte nämlich die Kleinigkeit vergessen: daß die Grundlage des Gebildes Film keine formal ästhetische, sondern eine technische ist; und daß sie als solche in dieser Zeit notwendig entscheidenden Wandlungen unterworfen bleibt.


Oder man denke an Schallplatte und Rundfunk. Um einige Gewißheit darüber zu erlangen, mit welchen Daten man sie in unsere kulturelle Entwicklung einzusetzen hat, ist es naturgemäß notwendig, zunächst einmal ihre Eigenart zu erfassen. Das ist immer und immer wieder versucht worden, indem ihr momentaner technischer Stand zugrunde gelegt wurde. Selbst Persönlichkeiten von hoher Bildung haben es als Kennzeichen der technischen Wiedergabe betrachtet, daß zum Beispiel hohe Töne und Klangfarben bis zu der und der Grenze oder Klangstärkendifferenzierungen bis zu einem gewissen Grade vollständig oder unvollständig wiederzugeben sind. Erst kürzlich las ich wieder den Aufsatz eines bekannten Musikkritikers, in dem das uralte


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