- 363 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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der Tonfilm auch im wesentlichen auf deutschen Erfindungen und deutscher Geistesarbeit sich aufbaut, ist es doch den Amerikanern eher als uns gelungen, finanzielle Kräfte für die Zwecke des Tonfilms zu mobilisieren. Dem kapitalschwachen Deutschland hat es lange an den finanziellen Voraussetzungen für die Auswertung der vorhandenen Erfindungen und Patente gemangelt. Inzwischen aber ist auch die deutsche und die europäische Industrie in schnellem Tempo der amerikanischen Tonfilmindustrie nachgekommen, und ohne Übertreibung darf heute wohl festgestellt werden, daß der deutsche Tonfilm in technischer Hinsicht dem amerikanischen nicht mehr nachsteht.


Die europäische Filmindustrie hat die bei der Umstellung auf den Tonfilm für das Abendland sich ergebende Chance richtig erkannt und es zuwege gebracht, daß aller Voraussicht nach die amerikanische Filmindustrie nicht auch auf dem Tonfilmgebiet die erdrückende Überlegenheit gewinnt, die sie auf dem Gebiete des stummen Films besessen hat.


Die Bedeutung dieser Tatsache, insbesondere für die kulturelle Wichtigkeit und Tragweite des Films, ist unverkennbar. Der Tonfilm ist noch mehr als der stumme Film geeignet, Träger kultureller Bestrebungen zu werden, und die Eigenart des Tonfilms bringt es mit sich, daß jeder Tonfilm mehr, als es beim stummen Film je nötig war, auf Sprache und Eigentümlichkeit jedes Kulturvolkes Rücksicht nehmen muß. Das bedeutet nicht, daß die Internationalität des Films gefährdet oder gar vernichtet wird, wohl aber wird eine Zusammenarbeit der Filmproduktionsgesellschaften in den verschiedenen Staaten und Kulturzentren erforderlich werden, damit der Tonfilm vielen Sprachen und Kulturen gerecht zu werden vermag.


Der europäischen Tonfilmindustrie dürfte bei der Lösung dieser Aufgaben eine besondere Rolle zugewiesen sein, denn die im Vergleich zu Amerika günstige Lage Europas ermöglicht es den europäischen Filmproduzenten leichter als den amerikanischen, die verschiedenen Sprachen und Kulturen zu erfassen.


Damit fällt dem Tonfilm nach dieser Richtung hin die weitere Aufgabe zu, völkerverbindend und im Sinne der Menschheitskultur fördernd und einigend zu wirken.


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