- 334 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Originalmuse stumm blieb. Die Kurve steigt an seit 1920; die höchste Jahresziffer — sieben — wurde 1925 erreicht. Das sind in der Tat minimale Zahlen, gemessen an der Riesenmenge von Filmen, die es jährlich in Deutschland zu sehen gibt. Aber wenn wirklich einmal zu einem Film eine Originalmusik existiert, in wieviel Häusern, in denen er lief, ist sie wohl zu hören gewesen? Wieder ist die Zahl verzweifelt niedrig, die Zahl der Theater, die sie zugleich mit dem Film zur Aufführung erwerben. Es kann geschehen und ist geschehen, daß diese Musik nicht aus dem Uraufführungstheater dringt, ja, daß sie hier nur ein einziges Mal, nur am Abend der Uraufführung gespielt wird, nur für die Presse, nur, um das Ereignis der “Premiere” zu heben — und schon am nächsten Tag fällt das Theater in seine gewohnten, vielleicht billigeren, vielleicht bequemeren Behelfsmethoden der musikalischen Illustration zurück. Endlich aber, wenn allenfalls für die Uraufführung Kosten und Mühen nicht gescheut worden sind, solch eine Originalfilmmusik in befriedigender Form herauszubringen, bescheidene Ansprüche befriedigend, was die orchestrale Ausführung und was die Übereinstimmung von Musik und Film, Anpassung jener an diesen betrifft: wie hört sie sich an, was ist von ihr übriggeblieben, wenn sie später in andern Theatern zum Vorschein kommt? Gewiß, es ist noch dieselbe Musik; und mit derselben Musik derselbe Film - aber, soviel Kopien, so viel veränderte Fassungen: anders geschnitten, anders zusammengesetzt, Stücke herausgenommen, Szenen umgestellt — ein Wunder, wenn da Film und Musik noch miteinander harmonieren. Doch wer in der weiten Filmwelt wollte darauf Rücksicht nehmen oder nur daran denken, daß der Film mit der Musik, so, wie sie schriftlich fixiert ist, eine Einheit bildet, eine Einheit des Sichtbaren und Hörbaren, die zerstört wird, sowie ein Teil — der sichtbare: der Film — das Übereinkommen des festgelegten Ablaufs bricht? Nein, dem Film fällt nicht ein, solch ein Übereinkommen zu respektieren, er ist souverän im Filmtheater, die Musik hat sich zu fügen, gleichgültig, was aus ihr wird. Was also wird daraus, in der Hast des typischen Repertoirebetriebs?


Eine Probe, mehr steht dem Kapellmeister für die Einstudierung nicht zu Gebot. Gelegentlich dieser einen Probe bekommt er zum erstenmal den Film und zum erstenmal die Partitur zu sehen — wenn überhaupt eine vorhanden ist; oft gibt es nur irgendeinen unzureichenden Partiturersatz von Auszug oder Dirigierstimme —, die einzige Probe dient ihm dazu und reicht selbstverständlich kaum dafür aus,


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