- 326 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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gleichwertige und gleich wichtige Elemente angesehen würden. Diese Voraussetzung besteht aber keineswegs — kann auch gar nicht bestehen, weil nämlich die Herstellung von Filmen fast ausschließlich industriell geschieht.


Das bedeutet: Rentabilität ist in jedem Falle wichtiger als Qualität. Das bedeutet sogar: Die Sorge um den geschäftlichen Erfolg muß auf alle Fälle wichtiger sein als die Rücksicht auf die Güte und Dauerhaftigkeit der Ware.


Mit dieser Feststellung soll gegen die Industrie nicht der geringste Vorwurf erhoben werden. Für eine kapitalistisch geartete Industrie wäre es erbärmlich und unmöglich, wenn sie das geschäftliche Resultat durch eine Art Seelsorge des Konsumenten gefährden würde. Sie muß — so, wie sie nun einmal ist — verdienen, und zwar sofort verdienen. Wenn sie das nicht täte, könnte sie nicht weiterproduzieren und wäre also lahmgelegt.


Man könnte daraus den Schluß ziehen, daß also alles in Ordnung ist — daß sich die Menschheit mit dem geringen Prozentsatz an Kunst in der Menge der hergestellten Filme gefälligst zufriedenzugeben habe, weil es nun einmal nicht anders geht. Schließlich ist wirkliche Kunst auf allen so genannten Gebieten etwas außerordentlich Seltenes — warum also beim Film mehr verlangen als anderswo?


Ein Verzicht auf dieses “Mehrverlangen” wäre aber sowohl für die Kunst wie für die Industrie vernichtend. Die Industrie selbst weiß das ganz genau, weiß auch, daß das Verlangen nach mehr nie aufhören wird. Deshalb ist sie ja auch dauernd bemüht, Neues zu bieten. Sie macht nur den einen Fehler, daß sie zur Befriedigung des Verlangens nach mehr einseitig die Möglichkeit der Technik heranzieht. Wenn der stumme Film nicht mehr “zieht”, muß die Technik ihn tönend machen, wenn der Tonfilm nicht mehr genügt, muß er farbig werden, plastisch usw.


Das bedeutet viel für das Unterhaltungsmittel Film, verschwindend wenig für den Film als Kunst. Was könnte aber auch die Industrie für die Kunst tun? Sie, die nun einmal ihrer ganzen Struktur nach darauf angewiesen ist, sofort zu verdienen, muß die Wesensart ihrer Erzeugnisse so bestimmen, daß sie unmittelbar nach ihrer Fertigstellung gefallen. Kunstwerke brauchen aber erfahrungsgemäß oft eine gewisse Zeit, um sich “durchzusetzen”. Ihre Wirkung und die Möglichkeit, sie geschäftlich zu verwerten, wird nach dieser Zeit zwar erheblich größer


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