- 181 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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Gesprächskunst. Selbstverständlich gibt es das Gespräch als Kunstform, aber es kennt nur einen Verfasser und infolgedessen auch nur eine lesende Stimme: ein platonischer Dialog mit verteilten Rollen bedeutet den Gipfel aller Stilverwirrungen.


Während im Bildungszeitalter des gedruckten Wortes der gelehrten Kaste und dem Literatentum die falsche Vornehmheit erwuchs, nur von ihresgleichen verstanden werden zu wollen, zwingt der Rundfunk zur Demut im Menschendienst und führt und schließt zusammen, was nur als Einheit wahrhafte Lebendigkeit besitzt: Gelehrte, Dichter und Volk.


Sehr oft wird dem Rundfunk etwas vorgeworfen, was beileibe nicht sein Wille oder sein Glaube ist, sich nämlich an die Stelle anderer Quellen der Unterrichtung und der Belehrung setzen zu wollen, er tritt zwischen sie nur als eine neue Quelle, deren Wasser durch ein Gelände fließen, das ihnen unerreichbar blieb, ja, die Rundfunkquelle verbreitet dort erst eine Liebe und eine Sehnsucht nach der Tiefe der anderen Wässer.


Aus dem eingangs Gesagten erhellt ohne weiteres, daß der Rundfunk zur Wiedergabe des dichterischen Wortes anderer Interpreten bedarf als des Rezitators, der die Schlichtheit und die Tiefe des dichterischen Wortes zu Effekten virtuoser Sprecherkünste umbiegt, und des Schauspielers, dessen mitten im Sichtbaren wurzelndes Handwerk ihn alle Augentäuschungen üben und das Wesentlichste hat vernachlässigen lassen, worauf es im Rundfunk ankommt: Menschlichkeit und allumfassende Eindringlichkeit des gefühlsmäßig wahrhaft gelebten Wortes.


Rede, Vortrag, Schilderung, Nachricht, Erzählung, Gedicht, Drama, sie alle werden tagtäglich vor den Mikrophonen der Welt lebendig für Millionen lauschender Menschen, noch niemals hat das Wort in allen seinen Bereichen einen so starken Träger mit seinen Kostbarkeiten beladen können. Notwendige Entwicklung wird in diesen Bereichen selber Meister entstehen lassen, welche die Schätze am gemäßesten formen. Und immer selbstverständlicher und immer vernünftiger wird die Breite des Volkes selbst sich in diesen Bereichen des Wortes zu Hanse fühlen als auf dem lebendigen Boden wahrer Gemeinschaft. Der Rundfunk selber aber hat in der kurzen Zeit seines Bestehens die durch die Schwere der Verantwortung fast erschütternde Erkenntnis erworben, daß für seine Vermittlerschaft, ganz uneingeschränkt und vorbehaltlos, auf jedem Gebiete geistigen und künsterischen Ausdrucks das Beste und der Beste gerade gut genug sind.


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