Handelns« verstanden wird. »Bildung
als Überprüfung und Erweiterung von Wirklichkeitskonstruktionen ist mehr
als Vermittlung und Aneignung von Wissen und Qualifikationen, sie ist auch
Selbstaufklärung.«23
Ein auf diese Komponenten ausgerichtetes Verständnis des Bildungsbegriffes korrespondiert
mit der erwähnten Freizeit- und/oder Leistungsorientierung der Laienorchester, die sich
aus Erwachsenen verschiedener Altersstufen und unterschiedlichster Sozialisation
zusammensetzen. Dabei kann neben dem musikalischen auch der außermusikalische
Erfahrungsbereich des Orchesterspielers einbezogen werden. Es wird angesichts dieser
Prämisse zu untersuchen sein, ob das Bildungsverständnis der aktiven Laienmusiker,
ohne fachwissenschaftlichen Fragestellungen genügen zu wollen, das empfundene
Bildungsbedürfnis im Sinne der o.g. erwachsenenpädagogischen Interpretation intuitiv
zum Ausdruck bringt. Untersucht man den von Laienmusikern wiederholt im
Zusammenhang mit dem Selbstverständnis ihrer Zielsetzung verwendeten Begriff des
›Bildungsauftrages‹ auf seine inhaltliche Bedeutung hin, zeigt es sich, daß er oftmals auf
ein Verständnis der 1920er Jahre, und damit auf eine bereits Historie gewordene
gesellschaftliche und bildungspolitische Situation zurückgeht und seit 1952 keine
nennenswerte inhaltliche Neudefinition erfahren hat. Ein geschichtlicher Rückblick am
Beispiel des BDLO läßt dies deutlich werden, auch wenn für die Jahre vor 1952 keine
umfassende Repertoiredokumentation rekonstruiert werden kann, um den aktuellen
Umgang mit ideellen Zielsetzungen interpretieren zu können. Denn gerade die
historische Parallelität zu Volksbildungsbestrebungen, Reformpädagogik und
musikalischer Jugendbewegung der Weimarer Zeit ist z.B. aufschlußreich für das
Verständnis der bis in die Gegenwart immer wiederkehrenden Argumentation,
Laiensinfonieorchester sollten ›geeignete‹ oder extra für sie komponierte Literatur
spielen. Es wird zu untersuchen sein, mit welchen Inhalten die Zielsetzungen der
Laienorchesterarbeit im allgemeinen, und der postulierte ›Bildungsauftrag‹ im
besonderen gefüllt sind, oder ob sie eher als individuelle »Lebenshilfe« im Sinne
ECKART-BÄCKERS24
24 ECKART-BÄCKER 1988, S. 171.
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fungieren können.
Ein interdisziplinärer Ansatz, ausgehend von der Musikwissenschaft und der
Erwachsenenpädagogik, liegt nahe, da Laienorchester im oben beschriebenen Sinne als
außerschulisches Lernfeld für Erwachsene die Kriterien eines »selbstgewählten,
zielgerichteten und organisierten Lernprozesses« der Erwachsenenbildung erfüllen. Die
Erwachsenenbildung ist ihrerseits auf Kooperationen mit einzelnen Fachdisziplinen
angewiesen.25
25 »Ein solcher komplexer Gegenstand wie die Erwachsenenbildung erfordert eine
interdisziplinäre Zusammenarbeit und verschiedene Untersuchungsmethoden. Daß
die einzelnen Theoretiker meist nur von ihrer Spezialdisziplin einen Zugang
zu der Erwachsenenbildung finden, ist kaum zu vermeiden.« (SIEBERT 1981,
S. 101.)
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Aber auch für den Betrachtungsausschnitt der Beziehung zwischen Laienorchestern und
musikalischer Erwachsenenbildung werden zunächst zwei Grundprobleme offenbar, nämlich
die Komplexität der erwachsenenpädagogischen Kriterien und das Defizit an empirischen
Daten. Somit werden einzelne Fragen zunächst unbeantwortet bleiben müssen. Ziel ist
jedoch, solchen Fragen ihren Standort in einem größeren Untersuchungszusammenhang
zuzuweisen. Aber es ist vermutlich möglich, für einen Ausschnitt der musikalischen
Erwachsenenbildung, die Laienorchesterarbeit, ein »theoretisches Teilstück«
wissenschaftlicher Musikpädagogik zu
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