Auslese im allgemeinen
Bewußtsein festgesetzt hat, von der nur innovativ orientierte Orchesterleiter abgehen
und dann sehr individuell andere Sinfonien auswählen. Mit dem Beitrag von
LANDON zur »Aufführungspraxis von Haydn-Symphonien durch Liebhaber- und
Schulorchester«22
erscheint einer der eher seltenen Artikel im DLO, die detallierte Entscheidungshilfen für
die Werkauswahl durch Kurzbeschreibung und Hinweise auf besondere Schwierigkeiten
geben. Neben einer Fülle von praktischen Gesichtspunkten findet sich eine Auflistung
der »besonders empfehlenswerten Haydn-Symphonien für Liebhaber«, die in
Abstufung zunächst die Nummern 2, 4, 10, 13, 14, 15, 17, 21, 22, 25, 26, 30,
31, 34 und 36 nennt, »etwas schwieriger für die Streicher« seien die Nummern
39, 42–46, 54, 57, 61, 66, 67, 68, 70, 73, 75–81. Deutliche Vorsicht möge man
bei den dennoch empfohlenen Sinfonien Nr. 82, 84, 85, 86, 90, 92, 97 walten
lassen. Alle genannten Nummern sind – soweit sie vorkommen – in Abb. 4.10
mit * gekennzeichnet, um den direkten Vergleich zu den tatsächlich gespielten
Werken herzustellen, woraus hervorgeht, daß die als geeignet bewerteten Werke
eher weniger in den Programmen zu finden sind. Bezeichnenderweise sind die
›Spitzenreiter‹ gerade diejenigen Werke, die LANDON nicht empfiehlt oder vor
denen er deutlich warnt: »Wir empfehlen lediglich, nicht an die Symphonien
Nr. 102–104 heranzugehen, ehe das Orchester die anderen bewältigt hat. Diese drei
Symphonien bieten so beträchtliche interpretatorische Schwierigkeiten, daß es traurig
wäre, darüber hinwegzuspielen, solange die Spieler noch an den einzelnen Noten
hängen«.23
Über ein Drittel aller Sinfonien Haydns sind zudem in 40jähriger BDLO-Aktivität nie
aufgeführt worden, und zwar die Nummern *2, *4, 9, *10, 12, *14, 16, *17, 18, 23, 29,
31–33, 37, 39, 41–43, 46, 50, 56, *57, *61, 62, *66, *67, *68, 69, 71, 72, 74, *76, *78, *79,
*81, *84, 91, unter denen sich 15 von LANDON empfohlene Werke (mit * gekennzeichnet)
befinden! Dabei sind die frühen Sinfonien Haydns – so wie die Werke J. Chr. Bachs – oft
als laienorchestergeeignet propagiert worden: (Das folgende Zitat stehe stellvertretend für
viele weitere): Frühklassische Sinfonik sei gerade für Liebhaberorchester »ein weites und
äußerst dankbares Feld [. . .] ihrem Wesen nach. Diese Musik war in zahllosen
Fällen ja für Liebhaber bestimmt, für fürstliche und bürgerliche Dilettanten.«
Spieltechnisch stelle sie kaum jemals unerfüllbare Ansprüche und sei leichter zu besetzen
als spätere Werke, dafür sei sie »musikalisch und gestaltungsmäßig durchaus
anspruchsvoll«.24
Doch dieser programmatische, auch pädagogisch intendierte Gedanke hat sich
offensichtlich mit dem Interesse der Ausführenden zumindest an dieser Stelle nie
gedeckt.
Bezüglich J. Chr. Bach kann man eine gewisse Reaktion auf diese wiederholten Empfehlungen der 1950er und 1960er Jahre im DLO feststellen. Abb. 4.6 zeigt einen bis 1977 auf knapp 8 % ansteigenden Anteil, der bis 1997 aber wieder auf 2,8 % absinkt. Der Zuwachs im ersten Dezennium ist möglicherweise auch auf Anregungen durch den Beitrag von FRITZ STEIN im DLO zurückzuführen, der den bereits häufig erfolgten Hinweis auf diesen Frühklassiker mit hilfreicher Beschreibung aller 12 Sinfonien unterstreicht und mit der Bemerkung kommentiert, sie seien »eine treffliche |