Berufsorchestern oftmals
unterschätzt worden, wie das Repertoire beweist. Der Anspruch, die regelmäßig im
professionellen Bereich gespielte Literatur gerade nicht aufzulegen, ist in bezug auf die
Gattungen der Sinfonien, Ouvertüren und sinfonisch begleiteten Solokonzerte
offensichtlich nicht Realität geworden. Dies mag in den 1950er- bis 1970er Jahren für das
eine oder andere Sinfonische Werk, manches Solokonzert für Kammerorchesterbesetzung,
Streicherwerke und manches Vokalwerk gegolten haben. Besonders der Bereich der
›Spielmusiken‹ und ›Kantaten‹, die unter dem Einfluß der Jugendbewegung entstanden
sind, ist Gegenstand derartiger Idealvorstellungen gewesen. Ab Mitte der 1970er Jahre
verschwindet diese Literatur nahezu vollständig aus dem Repertoire, zumal es meist
dieselben Orchester waren, die sich dieser Werke annahmen. Die Vorstellungen
über mögliche Alternativen, die jedoch oft unklar und selten mit konkreten
Werkempfehlungen geäußert werden, unterstreichen dies: »In der Öffentlichkeit werden
die Liebhaberorchester vorzugsweise die ›kleinen Formen‹ darbieten, leichte klassische
Musik, aber auch beste Unterhaltungs- und Programmusik. Es geht ja keinesfalls
darum, mit den Berufsorchestern zu konkurrieren, – das ist ohnehin niemals
möglich.«66Leichte
klassische Musik bedürfte in diesem Kontext ebenso einer näheren Beschreibung wie der
Terminus »beste Unterhaltungs- und Programmusik«. Diese Indifferenz ergibt
sich nahezu in jeder Gattung erneut. Zählen nun Mozarts Sinfonien 1–28 zur
»leichten Klassik«, oder ist eher Wiener Walzer- und Berliner Operettenseligkeit
gemeint, die sich dann aber als technisch »schwere klassische Musik« entpuppen?
Auch der Begriff ›Programmusik‹ ist unbedacht verwendet, gemeint ist wohl
eher die Abfolge von ›Musiknummern‹, wie sie der Kaffeehausmusik und den
Wunschkonzerten entlehnt sind, die Assoziation zu Programmusik sinfonischer Werke
dagegen wäre wenig hilfreich. Programmusik, z.B. in Form von Sinfonischen
Dichtungen, ist aufgrund ihres technisch- musikalischen Anspruchs und stilistischen
Schwerpunktes in der Spätromantik zunächst am geringsten vertreten. Diese
Gattung ist die einzige, die tatsächlich über lange Zeit den Berufsorchestern
vorbehalten bleibt, bis auch hier ab Mitte der 1980er Jahre die Laienorchester aktiv
werden.
4. Als bildungstheoretischer Grundsatz und gesellschaftspolitische Legitimation ist in der Laienorchesterarbeit stets der Wert der Probe an sich unterstrichen worden. Das trifft sicher auch unverändert zu, denn bei zu geringer Attraktivität von Werk und Probenarbeit würden die Teilnehmer ausbleiben. Der Laienorchesterspieler hat in diesem Zusammenhang ein doppeltes Interesse: er möchte Bekanntes durch wiederholtes Musizieren im Detail verbessern (qualitatives Leistungsprinzip) und sich am Wiedererkennungseffekt erfreuen (individuelles Genußprinzip), andererseits sich einem Lernprozeß unterwerfen, der zu einem bestimmten Kenntnisstand eines bisher unbekannten Musikstückes führt (quantitatives Prinzip der Kenntnisnahme). Dies führte zu einer Mischung des Interesses der Musiker an wiederholt aufgeführtem Repertoire und erstmals präsentierten Werken durch das eigene Orchester. Dennoch hat das öffentliche Konzert in der Praxis an motivierender Bedeutung gewonnen und wird als Zielpunkt einer Arbeitsfrage von vielen Orchestern nicht mehr in Frage gestellt. Mit der Literaturwahl soll ferner auf den Geschmack des Publikums (Schwerpunkt: ›bekannt‹ und ›eingängig‹) Rücksicht genommen werden. Die dominierende optische Wahrnehmung droht die auditiven Eindrücke grob in originelle |