Bei der folgenden Erschließung dieses Zusammenhangs sollen die Begriffe Assimilation und Widerstand die Funktion eines Hilfsmittels im Zuge einer hermeneutischen Annäherung erfüllen. Sie werden sich im Kontext dreier Hinsichten zu bewähren haben:
2 Pärts Œuvre als Ergebnis und Gegenstand von Assimilation und WiderstandLiest man feuilletonistische Veröffentlichungen über Pärt, so liegt der Gedanke nahe, daß seine Musik jene Wünsche nach weltentrückter Innerlichkeit, idealisierender Naturhaftigkeit und selbstvergessener Religiosität bediene, die im Zusammenhang mit der New-Age-Bewegung virulent wurden. Ein Blick auf die beiden Phasen seines Schaffens in ihren kulturellen Kontexten, die unterschiedlicher kaum sein könnten, mag die Annahme verstärken, Pärts Werke der Phase seit 1976 seien Ergebnis einer Anpassung an zeitgenössische Strömungen. Dem steht entgegen, daß der Tintinnabuli-Stil, also jener Stil, den wir mit Wohlklang und Zurücknahme, mit Stille und Bescheidenheit in Verbindung bringen, längst nicht nur vor Pärts Übersiedlung in den Westen entstand, sondern auch vor der Aktualität jener Zeitgeist-Bewegungen. Plausibler ist es, den Tintinnabuli-Stil als ästhetisches Dokument eines Widerstands gegen jene verordnete Kultur des damaligen Ostens zu deuten, die dann ja auch gerade diese Werke mit ihrem Verdikt belegte. Und folgerichtig erscheint ihre Vereinnahmung im Westen als Zeichen einer Assimilation ans Eigene, deren Legitimität sich daran beweisen muß, inwieweit sie dem anderen Raum läßt.Es liegt nahe, in dieser Assimilation eine der Ursachen für den prinzipiellen Widerstand zu sehen, den Pärt selbst nicht nur gegen die publizistische Beschreibungs- und Interpretationskultur geleistet hat, sondern auch gegen deren zentrales Moment, die Festlegung durch Sprache: Ïch bin dafür, daß zwischen Wort und Musik ein besonders behutsames Verhältnis sein muß. Wir müssen der Musik eine Chance geben, sich allein auszudrücken. Wörter treiben die Musik in die Enge. Und auch die Musik neigt dazu, sich von Wörtern abhängig zu machen. Ich sehe in dieser 'überkommunizierten' Gesellschaft Gefahr für die Existenz der Musik." (Pärt 1996, 13) |