- 44 -Kautny, Oliver (Hrsg.): Arvo Pärt - Rezeption und Wirkung seiner Musik 
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die die Bilder der Seele speichert, kann sie besser speichern, wenn sie kurz und prägnant sind. Und was noch auffälliger ist: Pärt sucht den Weg von der jetzigen Zeitlichkeit über den Tod zur Ewigkeit. In seinen wenigen Äußerungen geht es immer wieder um diese Frage: alles abzuwerfen, was unnötig ist auf der Suche nach Gott, arm und nackt zu sein, vor allem aber still zu sein, um in Gottes Ewigkeit Einlaß zu haben. Das ist die Stille, die in den wenigen Tönen seiner Musik steckt. Sie braucht nicht viel an Verzierung - in wenigen Tönen das auszusagen, was Gott ist, das möchte er. Meister Eckhart sagte: Älle Dinge lassen, darin liegt ein Tod verborgen."(Böhme 1980) Das ist der Durchgang zur Ewigkeit, die Forderungen an uns sind die gleichen.

Pärt zieht die Zeit zusammen, damit die Menschen die Ewigkeit besser finden können. Pärt muß die Musik nach der Gregorianik als überflüssig ansehen, da sie so viel an Material enthält, was den Menschen von Gott entfernt. Er sieht in der Musik einzig die Aufgabe, auf Gott hinzuweisen, so daß alles, was dieses stört, keinen Platz in der Musik hat. Deshalb ist auch die Zeittheorie Augustinus' so evident. Das Dreifache in unserer Seele (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) in seiner Kontraktion kommt dem Gedanken nahe, daß uns Gott nahe ist. Wenn die Zeit so verdichtet ist, kann die Ewigkeit uns sehr nahe sein. Pärt hat die Motive so dicht aufeinander folgen lassen, daß die Vergangenheit nahtlos in die Zukunft übergehen kann, nur der Gegenwart den Raum des Übergangs zugestehend. Die Frage ist, ob man das hört. In Cantus und Variationen zur Gesundung Arinuschkas kann man die Dichte der Aufeinanderfolge nicht hören. Nun stellt sich die Frage, ob Pärt mit seiner Musik einen Abglanz der Ewigkeit schildern kann. Augustinus zufolge ist die Ewigkeit nicht zeitlich, jenseits des realen Daseins. Vielleicht kann man Pärts ruhige, stille und wenig rhythmisierte Musik analog zu Augustinus' Sprachverständnis verstehen, als einen Dialog mit Gott. Sie wäre dann ein Bild oder wenigstens ein Ahnen von der Ewigkeit. Letztlich wollte Pärt mit seiner Musik eine Vision bieten, eine Vision, die stille macht, weil sie all das, was stört, ausgestoßen hat. Was aber tritt an die Stelle der Ornamentik, des Verzierens? Es ist die Betrachtung. Auch hier in der Endlichkeit können wir schon die Größe Gottes in seiner Schöpfung sehen.

5  Literaturverzeichnis

  • Achtner, Wolfgang/Kunz, Stefan/Walter, Thomas: Dimensionen der Zeit. Die Zeitstrukturen Gottes, der Welt und des Menschen, Darmstadt 1998.
  • Albert, Karl: Meister Eckhart und die Philosophie des Mittelalters. Betrachtung zur Geschichte der Philosophie II, Dettelbrock 1999.
  • Augustinus, Aurelius: Bekenntnisse. Zweisprachige Ausgabe, aus dem Lateinischen von Joseph Bernhart, Frankfurt am Main 1987.
  • Ders.: Bekenntnisse, übersetzt, mit Anmerkungen versehen und hg. von Kurt Flasch u.a., Stuttgart 1997.

  • Böhme, Wolfgang (Hg.): Meister Eckhart heute, Karlsruhe 1980 (Herrenalber Texte 20).

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