- 33 -Kautny, Oliver (Hrsg.): Arvo Pärt - Rezeption und Wirkung seiner Musik 
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es, das Wahrgenommene in Bildern zu speichern. Damit versteht sie sich für den Menschen als einheitlich Seiendes, denn der menschliche Geist ist Zeit, indem er die Bilder als Bewußtsein von Zeit hervorbringt. Außerhalb dieses Zusammenhangs gibt es keine Zeit. Die aus der memoria gebildeten vestigia sind als Abbilder Zeichen von Vergangenem (vgl. Corradini 1997, 31).

Schließlich wird den Zeitqualitäten ihr Ort in der Seele zugewiesen. Bei Augustinus ist memoria der Vorgang, der Vergangenes als Vergangenes ins Bewußtsein rückt. Anima ist als Bewußtsein zu verstehen. Wahrnehmung und Vergegenwärtigung sind dasselbe. Zeit wird nicht erst im nachhinein als ordnungsschaffendes Prinzip eingesetzt, denn "[...] es sind diese Zeiten als eine Art Dreiheit in der Seele, und anderswo sehe ich sie nicht, und zwar ist da Gegenwart von Vergangenem, nämlich Erinnerung, Gegenwart von Gegenwärtigem, nämlich Augenschein, Gegenwart von Künftigem, nämlich Erwartung."(Corradini 1997, 32) Nun ist auch die Gegenwart zu einer Zeitqualität (praesentia) geworden. Die Erinnerungsspur (vestigia) hat die doppelte Fähigkeit, einerseits Bezug auf die Vergangenheit zu nehmen und andererseits im Erinnerungsvorgang praesent zu sein (vgl. Corradini 1997, 33).

Ernst A. Schmidt hat sich mit der Zeit bei Augustinus auseinandergesetzt und das Wesen der Zeit so formuliert: "Sie ist die Gegenwart, ihre Fundierung die Erinnerung, und es wird von ihr gehandelt, weil sie die Struktur menschlichen Handelns ist."(Schmidt 1985, 381) Bei Augustinus gebe es nur die Dreiheit Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. Und diese Dreiheit ist in der Seele als Erinnerung (memoria), Wahrnehmung (intuitus) und Erwartung (exspectatio). Der Übergang von Zukunft in Gegenwart und von Gegenwart in Vergangenheit ist fließend. Im Vergleich ist die Vergangenheit gewichtiger als die Zukunft, denn ohne die Erinnerung wären Zeitmessung und die Ausdehnung der Seele nicht möglich. Für die Ausrichtung der Menschen auf die Zukunft müßte der Zukunft ein größerer Wert beigemessen werden, aber Augustinus versteht unter Ewigkeit die Aufhebung der Zeit schlechthin. Zur augustinischen Zeit gehört auch, daß die "personale Zeit" und die "kreatürliche Zeit" verbunden sind (ebd., 381f.). Friedrich-Wilhelm von Hermann führt über das Problem der Zeitebenen aus: "Das Künftige in der Erwartung, das als solches in der Weise des Erwartens geschaut wird, ist nicht bloß Künftiges, nicht bloß Noch-nicht, sondern ein Künftiges, das für den Erwartenden in einer eigenen Weise gegenwärtig, anwesend ist. Das Vergangene in der Erinnerung, das im Erinnern geschaut wird, ist nicht bloß Vergangenes, kein bloßes Nicht-mehr, sondern ein Vergangenes, das für den Erinnernden in einer Weise gegenwärtig, anwesend ist."(Hermann 1992, 385) Seine These ist ein Indiz dafür, daß das Sein der drei Horizonte in der Seele ist.

2.2  Stille und Schweigen

Es fehlen noch Begriffe wie Stille, Leere, Pause, Ruhe, Schweigen. Arvo Pärt schreibt dazu: "Die Zeit (d.h. die Stille) umgibt mich mit so einer Dichte, daß ich beginne, sie zu hören." - "Wie kann man die folgende Stille (das Schweigen) mit Tönen füllen, die des vorangegangenen Schweigens (der Stille) würdig wären?" - "Pause, heilige Pause."(Pärt zit. n. Danuser 1990) Auch Augustinus äußert sich über die Stille.

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