- 11 -Kautny, Oliver (Hrsg.): Arvo Pärt - Rezeption und Wirkung seiner Musik 
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ihr Wirkungspotential erfährt man - aus unserer Sicht - jedoch zu wenig (vgl. Hillier 1997).

Aus diesem Grunde stellte sich für das Wuppertaler Symposium (1999) die Frage, wie das Spannungsverhältnis von Werk und Wahrnehmung in seinen wechselseitigen Bedingungen reflektiert werden kann. Die hier vorgestellten Ergebnisse sind weit davon entfernt, ein fertiges wirkungs- oder rezeptionstheoretisches Modell für Pärts Musik präsentieren zu können. Doch hoffen wir, einer neuen Betrachtungsweise von Pärts Musik ein Stück näher gekommen zu sein: einem Blickwinkel, der sowohl musikalisches Material als auch Rezeption, sowohl Wirkungspotential als auch Wirkungsentfaltung in den Fokus nimmt.

Die Beiträge des Symposiums bieten bei der Verwirklichung dieses Ziels ein breites Spektrum an Lösungsversuchen, die sich nicht über ein einheitliches Konzept von Rezeption oder Wirkung definieren. Vielmehr zeigen sie unterschiedliche Wege der Annäherung an Pärts Œuvre durch Anschluß an historische (Gojowy, Sonntag), philosophische (Sonntag) und hermeneutische (Sonntag, Schatt, Kautny) wie pädagogische Diskurse (Schatt). Dieses Spektrum läßt sich aber im Gesamtblick als rezeptions- und wirkungstheoretisches Diskurspotential lesen, das durch zwei Aspekte zu Kernfragen von Rezeption und Wirkung Stellung nimmt: zur Relevanz des Materials (Wirkung) und des Hörers (Rezeption) für Pärts Musik und ihre ästhetische Erfahrung.

Eine Kernfrage des Symposiums war zunächst die nach der historischen Verortung des musikalischen Materials. Über die Bedeutung historiographischer Analysen von Pärts Musik ist man sich keineswegs einig. Immer wieder wird die Annahme formuliert, Pärt stehe mit seinem Schaffen außerhalb der Geschichte und sei mit stilistischen oder historischen Kategorien nicht beizukommen (vgl. Davies 1990, vgl. Schwarz 1989). Es gehört zu den Konstanten der Pärtrezeption, die irritierende Synthese aus zeitgenössisch und unzeitgemäß, aus modern und prämodern, aus alt und neu zu konstatieren und dem geheimnisvollen Rätselcharakter der Musik zuzurechnen, ohne ihre geschichtliche Verwurzelung in Betracht zu ziehen (vgl. Hamm 1987, vgl. Mellers 1987).

Detlef Gojowys Symposiums-Beitrag Arvo Pärt im sowjetischen Umfeld zeigt hingegen, daß sich gerade aus historischer Perspektive wichtige Einblicke in das Wirkungspotential der Musik gewinnen lassen, die der a-historischen, eher metaphorisch orientierten Annäherung an Pärts Musik verwehrt bleiben. Betrachtet man nämlich Pärts Musik vor der Folie musikgeschichtlicher Entwicklungen der ehemaligen UdSSR im Kontext der sechziger und siebziger Jahre, so erscheint Pärts Synthese von alt und neu nicht mehr als Schritt heraus aus der Musikgeschichte, nicht als Ruf aus einem anderen Zeitalter, sondern kann als Teil einer Strömung sowjetischer Avantgarde begriffen werden. Diese Möglichkeit ist in der Pärtforschung immer noch zu wenig berücksichtig worden2, obwohl der Musikhistoriker und Osteuropaexperte Detlef Gojowy seit mehr als drei Jahrzehnten um eine musikhistorische und gesellschaftspolitische Erklärung von Pärts Schaffen bemüht ist.

Gojowys Beschäftigung mit Pärt im Kontext sowjetischer Musik zeugt seit den sechziger Jahren von dem Bemühen, das kulturpolitische Umfeld der UdSSR als


2Hilliers (1997) Darstellung ist hier als eine von wenigen Ausnahmen zu nennen.

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