Mit den Mitteln von Ironie und Parodie werden Zuschauererwartungen durchbrochen.
Mit der ›vierten Wand‹, deren Existenz immerhin die Natürlichkeit und damit
Glaubwürdigkeit der Bühnenvorgänge – zentrale Postulate Felsensteins – verbürgt, spielt
Felsenstein permanent.
Ironische Brechungen und parodistische Darstellungsformen scheinen auf den ersten Blick schwer vereinbar mit Felsensteins theatertheoretischen Grundsätzen.105
»Das Experiment der Inszenierung [des ›Blaubart‹] besteht darin, daß über weite Strecken der Aufführung versucht wird, auch im Publikum die Überzeugung hervorzurufen, daß diese oder jene Szene ernst und wahrhaftig gemeint sei und ganz ohne Reflexion im Sinne des Theaters aufgenommen und erlebt werden kann. Das ist ja auch gar nicht anders denkbar, weil die Wahrhaftigkeit des theatralischen Erlebnisses auch hier [...] nur in der Einheit von Darstellung und Publikum zustande kommen kann.«106
Felsenstein war sich also im Klaren darüber, dass Offenbachs ›Blaubart‹ Besonderheiten im Bereich der Ästhetik der Darstellung nötig machte, einer Darstellung, die Formen der Ironie und Parodie genau zu reflektieren hatte. Insofern gilt es zu zeigen, wie Felsenstein die Anforderungen des Werkes mit seiner theatertheoretischen Position vereinbart sah. Da in dieser Inszenierung das Parodistische eine entscheidende Rolle spielt, ist zu fragen, wie Felsenstein das Stilmittel der Parodie in Offenbachs ›Blaubart‹ Parodie begriff und in seiner Inszenierung praktisch umsetzte. Das Resultat seiner Überlegungen zu Parodie und Ironie im ›Blaubart‹, das Felsenstein in einem Gespräch mit Dieter Kranz äußerte, überrascht, denn »daß eine sinn- und originalgetreue Interpretation des Werkes dem musikalischen Theater ein geradezu neuartiges Genre erschließt – ein Genre, das zunächst jenseits von Ironie und Tragödie liegt«,107
erscheint erklärungsbedürftig. Eine dem Parodistischen als wesentliches Darstellungsmittel verpflichtete Inszenierung sollte ›jenseits von Ironie‹ liegen, also doch nicht den reflektierend rezipierenden Zuschauer intendieren, ohne der Welt der Tragödie, die den anteilnehmenden Zuschauer bezweckt, anzugehören! Zur Erklärung |