erforschen, wie Musik
konstitutiv für die Handlung wird. Eine solche Betrachtungsweise erforscht die
Durchdringung, die Einheit der Musiktheater-Elemente Musik und Handlung, was
den entscheidenden Konsequenzen für die Stück-Dramaturgien Rechenschaft
trägt.
Dieser Zugriff subsumiert nicht die Frage nach der Musik im Theater unter
jene, was der Opernkomponist vertont, denn Musik wird nicht als Medium
betrachtet, in das eine formulierbare Aussage übertragen wird, als akustische
Bebilderung von Wort oder Handlung. Dadurch würde die autonome Welt der Musik
ebenso wie ihre konstitutive Kraft für die Handlung übersehen. Nicht eine zur
Handlung passende Musik, sondern Musik als theatralische Handlung konstituiert
Musiktheater.
An der Analyse der Verfilmung von ›Hoffmanns Erzählungen‹ soll also Felsensteins
konzeptioneller Grundgedanke, dass in der Figur des Hoffmann das Verhältnis von Kunst
und Leben reflektiert wird, dass nämlich die drei Frauengeschichten künstlerische
Aufarbeitungen der eigenen Biografie zu dem Zwecke sind, wieder künstlerisch produktiv
sein zu können, als musikdramaturgisch begründeter Gedanke erläutert werden. Die
Frage nach dem jeweiligen Anlass der Musik führt so z. B. im ›Antonia‹-Akt der
›Hoffmann‹-Verfilmung dazu, den diesem Akt wirklich zugrunde liegenden Konflikt nicht
im Liebesverhältnis Hoffmann-Antonia, sondern in Antonias Verhältnis zur
Kunst zu erkennen. Also wird die Antwort auf die Frage nach dem Anlass von
Musik in der Handlung gefunden, gleichzeitig führt sie auch auf die Handlung
zurück.
Eine Analyse des ›Hoffmann‹-Filmes von Felsenstein steht vor einer gewissen
Problematik. Mit diesem Werk liegt ein Torso vor, die Quellenlage ist äußerst
kompliziert.65
Auf den Stand der Forschung zu Offenbachs ›Hoffmanns Erzählungen‹ wird hier nicht
eingegangen, da diese Arbeit sich mit Felsensteins Theaterarbeit befasst. Zudem ist er
hervorragend dokumentiert in dem von Gabriele Brandstetter herausgegebenen Band Jacques
Offenbachs Hoffmanns Erzählungen, Laaber Verlag 1988. Besonders hervorzuheben scheint
mir darin die überaus gründliche Darstellung der Quellenproblematik von Didion, Robert:
A la recherche des Contes perdus. Zur Quellenproblematik von Offenbachs Oper, ebd.
S. 131ff. Die jüngste Fassung, sogenannte Kaye-Fassung, wird aus dem gleichen Grund nicht
hinzugezogen.
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Felsenstein selbst schildert, dass er vor einer Inszenierung lange
zurückgeschreckt sei, weil es dieses Werk als abgeschlossenes nicht gibt.
Letztlich hat er eine Bearbeitung angefertigt, die scharf angegriffen
wurde.66
Offenbach, Jacques: Hoffmanns Erzählungen, Phantastische Oper in fünf Akten. Unter
Benutzung des gleichnamigen Schauspiels von Jules Barbier und Michel Carré (1851)
neubearbeitet von Walter Felsenstein. Musikalische Einrichtung von Karl-Fritz Voigtmann,
Weinberger, Wien, Frankfurt/M., 1958 (Klavierauszug)
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Bedauerlicherweise beansprucht die Bearbeitung im Vorwort des Klavierauszugs,
aus Quellenstudium und der Verpflichtung gegenüber Offenbachs Intentionen
hervorgegangen zu sein. Sie wird aber diesem Anspruch keinesfalls
gerecht, sondern weist massive Eingriffe vor allem in den Notentext
auf.67
Dabei wurde Felsenstein vor allem vorgeworfen, durch seine Eingriffe in die musikalische
Struktur das Werk, an den gattungsspezifischen Wesenszügen der opéra comique gemessen,
verzerrt zu haben. Egon Voss differenziert dabei ausdrücklich zwischen Felsensteins
Inszenierung und seiner veröffentlichen Bearbeitung. Der letzteren wirft er vor, unredlich
Authentizität durch Quellenforschung zu beanspruchen, obwohl seine Quellenforschung
ungenügend sei und falsche Behauptungen beinhalte. Vgl. Voss, Egon: Offenbachs Hoffmann
in Felsensteins Erzählungen, in: Csampai, Attila/Holland, Dietmar (Hrsg.): Jacques
Offenbach. Hoffmanns Erzählungen. Texte, Materialien, Kommentare. Reinbek: Rowohlt
1984, S. 294ff. Zum gleichen Ergebnis kommt auch Robert Didion. Vgl. Didion in:
Brandstetter, S. 161f. Wenn auch nicht so polemisch, aber ähnlich im Vorwurf, urteilt Anna
Eisenberg in: Eisenberg, Anna: Jacques Offenbach: »Hoffmanns Erzählungen«. Analyse der
szenischen Bearbeitungen. Diss. Köln 1973, S. 269ff.
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