nicht störten. Solchen szenischen Realisationsversuchen wirft
Felsenstein vor, sie seien in der »Dualität Musik und Szene, Gesang und
Darstellung«6
befangen, welche aufzuheben sei, wenn man zu einer Einheit von Musik und Theater
gelangen wolle.
»Damit ist – glaube ich – die Kernfrage umrissen: die Einheit von Musik und
Theater, die Einheit von Gesang und Darstellung, kurz – die Humanisierung
der
Oper.«7
Getragen vom praktischen Interesse betont Felsenstein in seinen Schriften immer wieder
die Identifizierung von Musik und Szene. Der Probenprozess soll diese Identifizierung
leisten. Die wissenschaftliche Betrachtung der Ergebnisse eines solchen Probenprozesses
sollte jedoch die konstituierenden Elemente des Musiktheaters zunächst analysieren,
um so ihr Verhältnis in der gelungenen Verschmelzung durch Musiktheater
zu rekonstruieren. Bei der trennenden Analyse muss jedoch ihre Aufhebung
im Musiktheater im Auge behalten werden, Ausgangspunkt bei der Klärung
des Verhältnisses von Musik und Szene muss trotzdem der Anspruch bleiben,
ihre Aufhebung in der spezifischen musiktheatralischen Form zu erfassen. Die
Schwierigkeit besteht darin, dass sich musikalische Gehalte einem begrifflichen
Zugang verschließen. Die grundsätzliche musikästhetische Fragestellung nach dem
Gehalt von Musik verschärft sich im Kontext von »musikalischem Theater« als
Ort musikalischer Äußerungen: der Terminus ›musikalische Äußerung‹ birgt
ein grundlegendes theoretisches und vor allem theaterpraktisches Problem. So
evident es ist, dass Musik etwas Spezifisches transportiert, sie etwas in uns
auslöst, über das wir zumindest eingeschränkt einen Konsens erzielen können,
entzieht sich dieses Etwas jedoch einer verbal-sprachlichen Konkretion. Mehr
noch, indem wir versuchen, es sprachlich zu konkretisieren, vermittelt uns diese
Konkretion das Gefühl, angesichts ihres Gegenstandes unzureichend oder gar
unzulänglich zu sein. Während eine »Äußerung« Sprachqualität voraussetzt,
kompliziert es offensichtlich ihren Sprachcharakter, wenn sie »musikalisch« sein
soll.
Um in einem musikalischen Raum Theater zu produzieren, ist es unumgänglich, gerade
musikalische Verläufe zum den Gegenstand der Darstellung prägenden Ausgangspunkt zu
machen. Wenn »das Szenisch-Bildliche [. . . ] in dramatischer Musik nur als Chiffre enthalten
[ist], auf die allein auch festgelegt werden kann, was ihr dramatischer Ausdruck genannt
wird«,8
Steinbeck, Dietrich: Einleitung in die Theorie und Systematik der Theaterwissenschaft, Verlag
Walter de Gruyter&Co, Berlin, 1970, S. 182
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steht man vor der Schwierigkeit, dass »Szenisch-Bildliche« der
Musik zu dechiffrieren wenn man ebenso erkennt, dass »Musik
unbegrifflich«9
ist. Die musikästhetische Fragestellung lautet folglich, wie die Oper als musikalische
Kunstform ungegenständlich und jeglicher Begrifflichkeit fremd sein kann und zugleich
als theatralische Kunstform gegenständliche und sprachlich-begriffliche Qualitäten
aufweist. Diese beiden Welten durchdrungen zu haben, beansprucht zumindest fast jeder
Opernkomponist.
Außerordentlich hilfreich dabei erscheinen Hegels musikästhetische Überlegungen.
Hegel leistet eine Analyse des Musikalischen und seiner Wirkungsweise. Er
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