zu bezweifeln, sondern gilt ihm vielmehr als Bestätigung. Hieraus ergibt
sich der Auftrag an ein echtes Musiktheater im Sinne Felsensteins: Es muss
seiner ursprünglichen Bestimmung, Kunst zu sein, die das Volk erreicht, gerecht
werden.
Im Folgenden ist nun zu klären, wie er diese seine Kunst, ein echtes Musiktheater, zu verwirklichen sucht, welche praktischen Konsequenzen er also aus seiner Abgrenzung von der »Opernbranche« zieht.
2.1.1. Das »echte Theatererlebnis«»Im Theater (dagegen) will das Publikum an der vom Menschen vollzogenen und auf den Menschen einwirkenden Handlung beteiligt sein, es erwartet nicht die Mitteilung von Tatsachen, sondern ein Spiel, daß stark genug ist, es zur Teilnahme zu zwingen, und das – vom Publikum erwidert – zur höheren Wirklichkeit gelangt.«4
Für Felsenstein geschieht Theater nicht, wenn Publikum und Darsteller in ihrer Konsumenten- und Produzentenhaltung getrennt bleiben; er hält die »schöpferische Wechselbeziehung zwischen Bühne und Publikum« für die Grundvoraussetzung von Theater. Das Publikum »muß durch das Werk und dessen Darstellung zur vollen inneren Teilnahme veranlaßt werden, und das ist nur möglich, wenn eine tiefere Interessensphäre des Publikums berührt wird.«5
Das ›echte Theatererlebnis‹ hebe die Trennung von Bühne und Zuschauerraum auf; damit sei die Voraussetzung dafür geschaffen, dass »die aus der Beziehung zwischen Spiel und Anteilnahme wachsende poetische Wirklichkeit, diese schöpferische Einheit von Zuschauerraum und Bühne«6
entstehen könne. Theater mache »poetische Wirklichkeit« sinnlich erfahrbar und ermögliche so, die ›gewohnte‹ Realität zu überschreiten, wirklichkeitsüberschreitend nicht in dem Sinne, dem Zuschauer einen rauschhaften Kunstgenuß zu ermöglichen, dem er sich selbst und seine Welt vergessend sich hingeben könne. Die Bühnenvorgänge müssten dem Zuschauer etwas über seine Welt sagen, »das eigene Leben berühren«. Damit sie das können, verlangt Felsenstein ihre fast eindeutige Verständlichkeit.7
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