- 92 -Hinz, Christophe: Analyse und Performance mit der Software RUBATO 
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einen immensen Arbeitsaufwand verursachen, und die errungenen Resultate wären stark von der Subjektivität des Forschers abhängig (›Diese klangliche Umsetzung gefällt mir/gefällt mir nicht‹). Die Auswertung der Abbildung der Gewichte hat im Gegensatz hierzu den Vorteil, einen wertfreien Vergleich der Gewichtungskurven mit den Resultaten der anderen Analysen zu ermöglichen. Es geht hier nicht um die Frage, ob ein Gewicht ›gut klingen‹ kann, sondern darum, ob es Ähnlichkeiten mit den Resultaten der traditionellen Analysen vorweist.

Schließlich muss hier ein letztes methodologisches Problem besprochen werden, nämlich die Frage, inwiefern kleine Unregelmäßigkeiten den Verlauf des Gewichtes – und somit seine Tauglichkeit in Bezug auf die Interpretation – wirklich beeinflussen. Wirft man einen genaueren Blick auf Abbildung 7.3, so kann man erkennen, dass die durch die einzelnen Gewichtungen gebildete Kurve keineswegs glatt verläuft. Solche kleine Abweichungen dürfen jedoch ignoriert werden. Beim Einsatz eines Gewichtes in der PerformanceRubette wird nämlich der durchschnittliche Wert aller Gewichtungen ausgerechnet, und anschließend die einzelnen Einsatzzeiten, Lautstärken oder Dauern7

7 Die Parameter Höhe, Glissando- und Crescendoanteil sind bei einer Performance eines Klavierstückes unbedeutend.

proportional zu ihrer Entfernung zum Durchschnitt verändert. In Abbildung 7.3 ist auch ohne genaue Berechnung leicht einzusehen, dass die beiden hohen Gewichtungen sehr wenig Einfluss auf den Durchschnitt haben können, so dass die Gewichtungskurve fast immer sehr nah am Durchschnittswert bleibt. Wenn nun die angestrebte Interpretation im Rahmen des musikalisch Sinnvollen bleiben soll, so darf man davon ausgehen, dass die beiden sehr hohen Gewichtungen nur in einem begrenzten Ausmaß einen Parameter verändern dürfen, und dass somit die minimalen Abweichungen zur ›glatten‹ Gewichtungskurve vergleichsweise akustisch überhaupt nicht auffallen können.

Am Beispiel einer Verformung der Lautstärke kann man einen guten Beweis für die geringe Bedeutung der gerade besprochenen Unregelmäßigkeiten bringen. In einer MIDI-Datei stehen für die Lautstärke 128 verschiedene Werte – von 0 bis 127 nummeriert – zur Verfügung, so dass die nicht ganzzahligen Werte in Rubato zu einem dieser diskreten Werte auf- oder abgerundet werden. Chopin hat schon an den meisten Stellen des Notentextes eindeutige dynamische Angaben aufgeschrieben, die in der Performance zwar adaptiert, aber nicht von Grund auf verändert werden sollen. Als Faustregel soll in dieser Arbeit gelten, dass für eine musikalisch sinnvolle Adaptierung ein Unterschied von höchstens zwei dynamischen Stufen nach oben oder nach unten zulässig sind: Ein piano kann demnach z. B. in ein mezzo piano, gar in ein mezzo forte verwandelt werden, aber in keinem Fall in ein fortissimo. In der PrimaVistaRubette sind unter ›Absolute Dynamics Preferences‹ für die in dieser Etüde leiseste und lauteste Angabe – pianissimo und dreifaches forte – 43 und 99 beispielhaft angegeben8

8 Alle vorgegebenen Werte der ›Absolute Dynamics Preferences‹ kann man zwar verändern, aber sie bilden ein kohärentes und für die jetzige Demonstration völlig ausreichendes Referenzsystem.

, was einen Gesamtspielraum von ca. 60 verschiedenen Werten für dynamische Unterschiede lässt. Unter diesen Bedingungen bedeutet eine Adaptierung von piano auf mezzo forte z. B. eine Verschiebung der Werte von 50 (piano) auf 64 (mezzo forte), folglich eine Differenz von 14 Zählern. Wenn aber nun das Gewicht von Abbildung 7.3 für die dynamische Verformung benutzt werden

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