- 83 -Hinz, Christophe: Analyse und Performance mit der Software RUBATO 
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empfunden werden. Bei Sprüngen kann schließlich ein kurzes Pedal auch dazu dienen, eine fingertechnische Schwierigkeit zu umgehen, um den Eindruck eines legato zu erwecken bzw. beizubehalten. In den T. 53–54 der Etüde Nr. 11 benutzt z. B. Fialkowska das Pedal, um die acht arpeggierten Akkorde miteinander zu verbinden (Abbildung 5.11).



Abbildung 5.11: Etüde Nr. 11, T. 53–54. Pedalbenutzung von Fialkowska für einen Legatoeffekt.


Der Versuch, für jede der fünf analysierten Performances alle Abweichungen bezüglich der Pedalbenutzung komplett auszuarbeiten, erwies sich als eine unmögliche Aufgabe. Das hohe Tempo und die große Anzahl von schnellen Noten in der rechten Hand machten es sehr schwer, den klangfarblichen Unterschied zwischen Fingerlegato und Pedalbenutzung mit Bestimmtheit festzustellen. Zusätzliche Schwierigkeiten boten die zahlreichen Benutzungen des sog. Halbpedals, an welchen der Pianist das Pedal nur teilweise und meistens im schnellen Wechsel herunterdrückt. Diese Technik ermöglicht einen gewissen Legatoeffekt, verhindert aber bei kurzen, schnellen Noten die Erzeugung eines ›klanglichen Breis‹, der bei einer normalen Benutzung des Pedals nicht zu vermeiden wäre. Besonders bei Lortie führten schließlich die akustischen Merkmale des Aufnahmeraumes, der von einem sehr präsenten Hall geprägt ist, zu erheblichen Schwierigkeiten beim Heraushören des Pedals.

Die einzige klare Abweichung zu den Angaben Chopins, die alle analysierten Einspielungen gemeinsam haben, ist das Hinzufügen eines Pedals auf der beidhändigen Tonleiter im vorletzten Takt der Etüde. Doch die Dauer dieses Pedals trifft nicht auf allgemeine Zustimmung: Sokolov hält es nach der letzten Note noch ca. eine Viertelpause lang gedrückt, wobei Pollini und Lugansky es auf dieser Note loslassen. Bei den beiden anderen Pianisten ist es nicht deutlich herauszuhören, wann die Dämpfer wieder niedergelassen werden. Diese Abweichung zu den Angaben Chopins soll jedoch in der anstehenden Performance nicht umgesetzt werden.

Die anderen Abweichungen bezüglich des Pedals sind zwar relativ zahlreich, werden aber nicht von allen Pianisten vorgenommen. Allgemein weichen die Interpretationen eher durch das Hinzufügen von nicht notierten als durch das Ignorieren von angegebenen Pedalanweisungen ab. Die klarsten und bedeutendsten Abweichungen sind in denjenigen Takten zu finden, an denen beide Hände in kurzen Noten spielen. Wegen des hohen Tempos ist dort das traditionelle Konzept von Melodie, beruhend auf Konsonanz und Dissonanz, zu weiten Teilen aufgelöst und ersetzt durch den pianistischen Effekt, welcher durch das Hinzufügen eines Pedals verstärkt wird. Die eindeutigste Benutzung dieser Art von Betonung ist wohl bei Sokolov in T. 67 zu


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