Takt 45 ist vom interpretatorischen Standpunkt aus sehr interessant. Chopin hat hier
keine dynamischen Angaben notiert, und auch wenn sich die Pianisten darüber einig sind,
dass ein ziemlich abrupter dynamischer Wechsel seinen Platz hat, so sind die Meinungen
geteilt, wie die Veränderung vor sich gehen sollte: Lugansky und Sokolov entscheiden sich
für mezzo piano, Pollini und Fialkowska für mezzo forte und Lortie für ein klares
forte.
Die Takte mit den acht regelmäßigen Akzenten (53–54) werden von Fialkowska mezzo
forte, von Sokolov sogar erstaunlicherweise mezzo piano gespielt.
Das fortissimo von T. 61, erster Höhepunkt der Etüde, wird von Lortie, Lugansky und
Sokolov mit einem deutlichen crescendo eingeleitet.
Ähnlich wie in T. 41–44 weigert sich in T. 61–64 Lortie, den Anweisungen Chopins zu
folgen und spielt nacheinander zwei starke crescendi al fortissimo, anstatt sofort mit
dieser Dynamik anzusetzen.
In T. 66 wird die zweite Hälfte des Taktes von Fialkowska, Lortie und Sokolov pianissimo
gespielt. Die genaue Wiederholung des Motivs wird somit leicht verändert (Abbildung
5.9).
Der Anfang des zweieinhalb Takte langen crescendos vor der Rückkehr des Hauptthemas
(T. 66–69) wird von Fialkowska, Lugansky und Pollini verzögert.
Bis auf ein forte (statt piano) von Sokolov in T. 85 und einem mezzo forte (statt
fortissimo) von Fialkowska werden die letzten Takte des Stückes (82–96) von allen
Pianisten mit einer sehr ähnlichen Dynamik gespielt. Die einzige nennenswerte
Abweichung betrifft das letzte decrescendo, welches nur von Pollini sehr deutlich
hervorgehoben wird. Dagegen ist es bei Fialkowska und Sokolov nur leicht, bei Lortie und
Lugansky gar nicht vorhanden.
|