- 176 -Hinz, Christophe: Analyse und Performance mit der Software RUBATO 
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isoliert werden. Erstens werden meistens diejenigen Stellen als mechanisch genannt, an denen zwar die analytischen Gewichte zum Einsatz kommen, aber nur mit regelmäßigen Mustern, wie in den T. 61–68, in welchen das Metrum durch eine Veränderung der Dynamik betont wird. Zweitens wird mehrmals bemängelt, dass in den Analysen als wichtig gekennzeichnete Stellen ohne agogische Vorbereitung, ohne Atem, ohne Sensibilität gespielt werden.

Warum konnte nun keine der beiden Interpretationen besser als durchschnittlich bewertet werden? Für diesen Teil- bzw. Misserfolg sind mehrere Gründe in Betracht zu ziehen.

Es ist unwahrscheinlich, dass die Qualität des Klangerzeugers dafür verantwortlich ist, da in der Umfrage ausdrücklich auf sie aufmerksam gemacht wurde und somit zwar die Freude am Hören, aber nicht die Qualität der Interpretation gelitten haben kann. Wenn überhaupt, kann sie nur einen minimalen Einfluss auf die Bewertung gehabt haben.

Der auf ein Minimum beschränkte subjektive Anteil der Interpretationsarbeit – die Entscheidungen über die Wirkungsrichtung und -intensität der herausgefilterten Gewichte – kann nicht so schnell von der Hand gewiesen werden. Es ist aber unwahrscheinlich, dass diese Subjektivität allein für das durchschnittliche Abschneiden der Interpretationen verantwortlich sein kann. Erstens habe ich als Musikwissenschaftler, Pianist und Klavierpädagoge eine nicht unbeachtliche Menge an Musiziererfahrung sammeln können, so dass mein Urteilsvermögen im Hinblick auf die hier verfolgten Ziele wohl als mindestens ausreichend bewertet werden kann. Und zweitens habe ich bei diesen Entscheidungen stets die fünf analysierten Performances im Kopf gehabt, die zwar nicht eins-zu-eins nachgemacht werden sollten, aber – mehr oder weniger unbewusst – zumindest die grobe Richtung und das Ausmaß der Verformungen des Notentextes mitbestimmt haben.

Wenn die ›subjektive‹ Interpretation an sich kaum für den Misserfolg verantwortlich sein kann, müssen die Gründe in den Objekten oder in der Methode gesucht werden. An dieser Stelle muss nochmal betont werden, dass von Anfang an eins der Ziele dieser Arbeit eine wissenschaftlich begründbare Synthese der beiden Etüden gewesen ist. Mit komplexeren und vieldeutigeren Werken hätte das ganze Verfahren deutlich an Wissenschaftlichkeit verloren. So muss auch rückblickend die Wahl der Stücke als angemessen bewertet werden.

Die in dieser Arbeit dargelegte, neuartige Methode, um taugliche Gewichte herauszufiltrieren, kann vielleicht zum Teil für die durchschnittliche Qualität der Interpretationen verantwortlich gemacht werden. Es ist nicht ganz auszuschließen, dass andere musikanalytische Methoden und Techniken wie schenkersche Analyse oder Set Theory ähnlichere Resultate zur MaMuTh vorweisen könnten, als es die parametrische und die Interpretationsanalysen getan haben, und dass somit durch eine angebrachtere Auswahl der Gewichte bessere klangliche Resultate erzeugt werden könnten. Dennoch ist diese Hypothese eher unwahrscheinlich. Es wurde nämlich durch die Interprationsanalyse ein grobes Bild davon geliefert, wie die Etüden herkömmlich gespielt werden, und die meisten wichtigen Merkmale, die in der parametrischen Analyse herausgefunden wurden, fielen auch in der Interpretationsanalyse in irgendeiner Form auf. Eine solche Übereinstimmung zwischen Theorie und Praxis spricht dafür, dass die Wahl der parametrischen Analyse als


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